Tanzen besser ohne Mann?

■ Hier sagt der Ehemann nicht „Nein“: In der „Frauentanzschule Bremen“ wähnt er seine Partnerin gut aufgehoben. Dort kann frau sogar den „Equalitytanz“ belegen

„Walzer!“ ruft eine kräftige Frau in Schwarz und zieht ihre Partnerin aufs Parkett. Aus den Lautsprechern im Saal der „Frauentanz-schule Bremen“ schmalzt langsame Musik. Im Takt versuchen beide eine komplizierte Schrittfolge, verknoten beim Rückwärtsgehen die Füße und stolpern lachend seitwärts.

„Frauen haben richtig Spaß am Tanzen,“ sagt Christine Patendorf, die an diesem Abend den Kurs für Standard- und lateinamerikani-sche Tänze leitet. „Die meisten Männer muss man auf die Tanzfläche schleifen.“ Patendorf ist Diplom-Politologin, aber auch Tanzpädagogin. Vor drei Jahren beschlossen die Tanzlehrerin Silvia Wetzel und sie, dass Tanzen das einzig Wahre ist, und mieteten einen Saal im Frauenstadthaus. Mit Parkettfußboden, einem großen Spiegel und hellen, hölzernen Bänken an den Wänden machten sie daraus einen Tanzsaal – und eröffneten die erste Frauentanzschule Bremens. Ein riskantes Projekt. Denn Tanzschulen gibt es in Bremen massenhaft. Doch die Geschlechtertrennung nicht.

Viele gemischte Kurse sind verkappte Singlebörsen, bei denen der Tanzlehrer kräftig mitkuppelt. Da bei klassischen Tänzen der Mann grundsätzlich führt, liegt jedem schon in der ersten Stunde garantiert eine Frau in den Armen. Berührungsängste gelten nicht. Wer in gemischten Kursen einfach Tanzen lernen möchte, hat oft Pech. Frauen, die zum Tanzen lieber eine Freundin mitbringen wollen, werden da schon bei der Anmeldung schräg angesehen. In der Frauentanzschule müssen sie nur ankreuzen, ob sie als „Führende“ oder „Geführte“ tanzen wollen.

„Mein Mann will nicht, dass ich mit anderen Männern tanze, er selbst hat aber keine Lust“, sagt Lisa Kranz (Name geändert), eine Tänzerin aus dem Standard-Kurs. Sie hat sich als „Geführte“ angemeldet, weil sie ihren Mann noch – zu einem regulären Tanzkurs – überreden möchte. „Immer habe ich mich führen lassen, jetzt bin ich mal dran!“ sagen sich andere Frauen und tanzen mit Begeisterung den klassisch „männlichen“ Part. Das ist kein Problem, denn der wesentliche Unterschied zwischen „Führen“ und „Geführtwerden“ besteht in der Schrittfolge. Wer mit Rollenverteilung gar nichts am Hut hat, kann den „Equality“-Tanzkurs belegen. Bei dieser Tanzart gehen Führen und Geführt-werden ineinander über. Vor allem die ganz jungen Tänzerinnen aus dem Mädchentanzkurs hätten keine Lust, sich festzulegen und wollten mitunter auch mal die Seiten wechseln, sagt Wetzel.

Die 44-Jährige hat 15 Jahre lang als juristische Sachbearbeiterin gearbeitet, bevor sie alles hinschmiss, und als Tanzlehrerin weitermachte. Als eine der ersten, die reine Frauentanzkurse anbot, war sie in der Branche ein ziemlicher Paradiesvogel. „Wir wollen die Männer ja nicht ausgrenzen,“ betont Wetzel, „aber wir wollen einen geschützten Raum für Frauen schaffen“. Während des Unterrichts haben in ihrer Tanzschule Männer auch als Zuschauer nichts zu suchen.

Es stimmt: Wenn Frauen beim Tanzen unter sich sind, ist die Stimmung spürbar entspannt. Im Frauenstadthaus haben die Tänzerinnen sichtlich Spaß an der Sache, sie tanzen, sobald sie zur Tür reinkommen. So läuft es auch, wenn alle zwei Monate Tanzparty angesagt ist. Da ist kaum eine, die sich erstmal Mut antrinken muss. Von Anfang bis Ende ist die Tanzfläche rappelvoll. Zum Leidwesen der Veranstalterinnen geht dabei statt teurer Getränke jede Menge Mineralwasser über die Theke: „Die Frauen trinken nur, um fit zu bleiben und weitertanzen zu können“, erklärt Silvia Wetzel.

Der Zulauf ist in drei Jahren Frauentanzschule gewachsen. Die beiden Lehrerinnen kommen aus dem Tanzen kaum heraus, jeden Tag haben sie Kurse. Wahrscheinlich würden sich noch mehr Frauen anmelden, wenn viele nicht Vorurteile über „Frauenveranstaltungen“ im Kopf hätten. Dass Frauen ganz schön homophob sein können, erfahren Patendorf und Wetzel immer wieder. „Ist das etwa mit Anfassen?“, werden sie von Interessentinnen schon mal ganz direkt gefragt. Die Antwort dürfte ihnen schwer fallen. Theresa Bäuerlein