Birlikte fit

Interkulturelles Trainingsprojekt für vier Bremer Stadtteile

Acht Kattenturmer Jugendliche betreten einen Raum, in dem unterschiedliche Kunstpostkarten verteilt herumliegen. Sie sollen sich ein Motiv aussuchen und setzen sich dann in eine Runde. Dadurch, dass sie den anderen erzählen, warum sie sich gerade dieses Bild ausgesucht haben, lernen sie sich schon ein bisschen kennen. Die Jugendlichen sind zwischen 14 und 17 Jahre alt und stammen teils aus arabischen Ländern, aus dem ehemaligen Jugoslawien. Zwei Mädchen sprechen albanisch wollen aber nicht genauer sagen, woher sie stammen.

Um sich einen weiteren Schritt näher zu kommen, sollen sie versuchen, sich die Bedeutung ihrer Namen gegenseitig zu erklären. „Die meisten konnten das gar nicht“, berichtet Gert Jugert, Diplom-Psychologe und einer der beiden Gruppenleiter. „Aber mein palästinensischer Kollege kannte sich sehr gut mit Namen aus und hatte viele Erklärungen.“

Die acht Jugendlichen in Kattenturm nehmen an einem Pilotprojekt teil: Jugert erprobt mit ihnen ein vom bipp (Bremer Institut für Pädagogik und Psychologie) entwikkeltes Interkulturelles Training. Es umfasst, neben festen Regeln - Pünktlichkeit, Vertraulichkeit, Freiwilligkeit und dem Vorrang für Störungen - mehrere thematische Schwerpunkte. So beschäftigen sich die Jugendlichen etwa mit Begrüßungsritualen, Religionen, Gefühlsäußerungen oder Körpersprache und finden Gemeinsamkeiten und Unterschiede heraus. Zum Einstieg erklärt eine der beiden GruppenleiterInnen höchstens drei Minuten lang das jeweilige Thema. Danach spielen die beiden entweder selbst eine Szene vor oder zeigen einen entsprechenden Filmausschnitt auf Video. Zu zweit oder zu dritt überlegen sich dann die Jugendlichen entsprechende Situationen, die sie kennen.

„Manchmal schlüpfen sie Jugendlichen dabei auch in Rollen aus anderen Kulturen. Das wirkt der Entstehung von Fremdenfeindlichkeit entgegen, denn wenn erst einmal die Offenheit und das Verstehen anderer Kulturen da ist, werden sich die TeilnehmerInnen nicht mehr so leicht fremdenfeindlich verhalten.“

Jugert möchte, mit seinen Trainings möglichst viele unterschiedliche Jugendliche erreichen. Zum einen wünscht er sich, dass Schuldirektoren oder -konferenzen auffällig gewordenen Jugendlichen die Teilnahme am Training empfehlen. „Aber nicht dazu zwingen, das funktioniert nicht“, betont Jugert. Gerade mit denen, die „empfänglich für Fremdenfeindlichkeit“ sind oder die sich in Gangs abkapseln, will er gerne arbeiten. - Aber warum sollten die in ein solches Training kommen? „Meistens fehlt diesen Jugendlichen die Anerkennung durch Erwachsene. Deshalb kommen sie überhaupt in Jugendeinrichtungen.“ Und auf diesem Weg hofft der Psychologe, sie auch für sein Projekt zu gewinnen.

Das Interkulturelle Training ist für die Dauer von sechs Monaten angelegt. Um in den vier Projektstadtteilen Grambke, Neue Vahr Nord, Hemelingen und Huckelriede arbeiten zu können, sollen erst einmal ab März die TrainerInnen ausgebildet werden.

Einen Haken haben LehrerInnen und JugendarbeiterInnen an dem Training entdeckt: Der Name „Gemeinsam / birlikte fit“ ist deutsch und türkisch. Ein Sozialarbeiter stellte dazu bereits fest: „Dadurch werden sich viele nicht-türkische Jugendliche ausgegrenzt fühlen. Oft genung haben etwa Tamilen oder russische Jugendliche das Gefühl, neben der riesigen türkischen Community gar keine Chance zu haben.“ Ulrike Bendrat

Kontakt: bipp, An der Gete 1, 28211 Bremen, Tel: 43 60 76-0