Hier wird gehofft

■ Ins Brustkrebs-Screening Zentrum kommen Besucher aus ganz Deutschland: Bald könnte es die nationale Schaltzentrale werden

ittwoch. Eine Frau sitzt im Wartezimmer des Mammographie Screening-Zentrums im Krankenhaus Sankt-Jürgen-Straße und schnieft. Der Ehemann hat ihre Post geöffnet und gesagt: „Jetzt hast du auch noch Krebs!“ Eine Gemeinheit, gegen die jede noch so behutsame Aufklärung wie auch das Mitgefühl der Krankenschwester machtlos ist – wie auch gegen jene Angst, die viele Bremerinnen über 50 in den Tagen beschleicht, in denen sie auf das Ergebnis ihrer Röntgenuntersuchung warten müssen.

Anders als in den Praxen niedergelassener Röntgenologen befunden im Modellprojekt nämlich zwei Ärzte unabhängig voneinander die Aufnahmen – und das dauert. Aber es entspricht europäischen Qualitäts-Richtlinien, an die das Modellprojekt gebunden ist, das seine MitarbeiterInnen in England und Holland ausbilden lässt – in Ländern, wo viele an die wissenschaftlich umstrittenen Studien glauben, wonach Früherkennung von Brustkrebs die Überlebenschancen betroffener Frauen deutlich steigert (siehe Kasten rechts).

Auf dieser Annahme basiert auch das Bremer Projekt – das sich in seiner Existenz durch bevorstehende politische Entscheidungen im Bundestag wohl bestätigt sehen dürfte. Denn bei Rot-Grün in Berlin reagiert man empfindlich auf die jahrelangen Nachweise über miserable Mammographie-Qualität in bundesdeutschen Arztpraxen. Die erschreckenden Zahlen von jährlich 17.000 Brustkrebstoten bei 47.000 Neuerkankungen pro Jahr und die anhaltenden Proteste von Frauenverbänden tun ein Übriges. Alle Zeichen stehen auf Ausweitung der Röntgenreihenuntersuchungen. Ende Februar, so die bisherige Terminplanung, wird der Bundestag einen rot-grünen Antrag behandeln, der die Bundesregierung auffordert, „alle Voraussetzungen zu schaffen, für die Einführung eines flächendeckenden Mammographie-Screeenings nach europäischen Leitlinien.“

In Bremen, das derzeit eine von drei Screening-Modellregionen ist, wogen deshalb die Hoffnungen hoch, danach sogar Referenzzentrum für ganz Deutschland zu werden. Das hieße, in Bremen könnte das medizinisch-technische Personal geschult werden – statt wie bislang im holländischen Nijmwegen. Hier könnte auch die tägliche Kontrolle sämtlicher technischer Daten aller bundesweiten, neu zu gründenden Screening-Einrichtungen stattfinden und vielleicht auch die Schulung von ÄrztInnen im Befunden von Mammographien. Denn gute Geräte und die Expertise von ÄrztInnen, die jährlich mehrere tausend Bilder auf ungewöhnliche Schatten hin prüfen, gilt als gewichtiges Argument für Screening-Zentren, deren Anonymität von Frauen nicht immer als Vorteil gesehen wird.

„Viele Frauen fragen uns, warum beim Screening kein Arzt dabei ist“, sagt Marlies Lange. Die Psychologin ist eine von zwei Beraterinnen des unabhängigen Beratungsangebots zum Mamma-Screening. Ihre Stelle ist bei der Bremer Krebsgesellschaft angesiedelt, eine weitere beim Frauengesundheitszentrum. Über 500 Frauen haben bei der unabhängigen Beratung schon angerufen. Vielen von ihnen hat Marlies Lange erklärt, dass Ärzte erst beim „Assessment“, bei einer späteren Abklärung ungewöhnlicher Befunde, dabei sind. Auch die weinende Frau hätte sie vielleicht beruhigen können.

„Ein auffälliger Erstbefund ist noch lange keine Krebsdiagnose“, erklärt Lange oft. Von 148 „wieder eingeladenen“ Frauen erhärtete sich nach weiterem Röntgen, Ultraschall, Tasten und Gewebeprobe für 20 die Diagnose Brustkrebs. Bei 13 von ihnen waren die Knötchen unter 15 Millimeter Durchmesser – und wären beim Tasten allein wohl kaum aufgefallen. Wobei Marlies Lange gleich die nächste Fehlannahme korrigieren könnte: „Krebsvorsorge ist trotz Screening nötig“, sagt sie. „Sowie das Gespräch mit dem Arzt des Vertrauens.“

Das betont auch die Sprecherin des Screening-Projektes, Antonia Hanne. Dennoch gilt das Verhältnis niedergelassener Ärzte zum Screening-Projekt in Bremen als leicht gespannt. Immer wieder berichten Frauen, dass ihr Arzt ihnen vom Screening abgeraten habe. Manche vermuten finanzielle Eigeninteressen: Der niedergelassene Arzt habe vielleicht sein Röntgengerät noch nicht abbezahlt. Ob vielleicht auch Grundsätzliches (s.o.) dahinter steckt, weiß niemand. Doch räumt auch Antonia Hanne ein, dass der Arzt vor allem Gesprächspartner sei, solange das Röntgenbild seiner Patientin noch beim Assessment liege. „Aber jede Frau kann die Unterlagen bekommen und sich mit ihrem Arzt beraten“, betont sie. Die Teilnahme am Screening sei freiwillig. „Wenn eine Frau sich heute umdreht und rausgeht, kann sie morgen wieder einen neuen Termin machen. Wir wissen, dass so eine Untersuchung kein Spaziergang ist.“ ede