Ciao, Procuratori della Repubblica

Die Vorgänge in der Diaz-Schule sind ein halbes Jahr nach den Polizeiübergriffen beim G 8-Gipfel in Genua weiterhin kaum geklärt. Nun befragen italienische Staatsanwälte Opfer in Berlin. Die Zeugen sind gleichzeitig als Beschuldigte geladen

von FELIX LEE
und PLUTONIA PLARRE

Auch sieben Monate nach der „chilenischen Nacht von Genua“ ist die Narbe am Hinterkopf noch zu sehen. Steffen Sibler aus Berlin war einer von 100 Globalisierungsgegnern, der im Juli während der Proteste gegen den G 8-Gipfel in der Diaz-Schule übernachtet hatte und von italienischen Polizeieinheiten brutal zusammengeschlagen worden war. Mit Stahltaschenlampen, Holzknüppeln und Fäusten hatten sich die vermummten Carabinieri im Schutz der Dunkelheit über die Schlafenden hergemacht. Danach wurden die Demonstranten, die fast alle verletzt waren, festgenommen und unter fadenscheinigen Vorwürfen wie Waffenbesitz, Sachbeschädigung und Mitgliedschaft im Schwarzen Block in Haft gesteckt.

Sieben Monate später haben sich die italienischen Ermittlungsbehörden nicht gerade mit Ruhm bekleckert, was die Aufklärung des Polizeiüberfalls in der Schule angeht. Und das obwohl zahlreiche Betroffene Strafanzeige erstattet haben. Aber nun scheint Bewegung in das Verfahren zu kommen. Vom kommenden Montag an werden zwei italienische Staatsanwälte in Berlin 16 Betroffene zu den Vorfällen vernehmen. In der Schweiz, Hamburg und München werden ähnliche Befragungen durchgeführt. „Wir begrüßen, dass gegen die Polizisten endlich ermittelt wird“, sagte Steffen Sibler gestern auf einer Pressekonferenz des Berliner Ermittlungsausschusses. Allerdings seien alle Betroffenen zu den Vernehmungen nicht nur als Zeugen, sondern auch als Beschuldigte geladen, was für eine ziemliche Verunsicherung sorge. „Dass die Verfahren gegen uns nicht längst eingestellt worden sind, erhöht nicht gerade das Vertrauen in den Rechtsstaat.“

Es ist in der Tat verwunderlich. Schließlich waren die meisten Haftbefehle seinerzeit von italienischen Gerichten in zweiter Instanz für illegitim erklärt worden. Für die Glaubwürdigkeit der Angaben der Betroffenen spreche, dass „fast alle Verhafteten Gipsverbände, genähte Wunden, auffällige Blutergüsse und Kopfverbände“ gehabt hätten, hieß es in einem entsprechenden Gerichtsbeschluss.

Aus italienischen Sicherheitskreisen erfuhr die taz, dass es den Procuratori della Repubblica, also den Staatsanwälten, anders als der Polizei wirklich darum gehe, Verantwortliche und Täter für den Übergriff dingfest zu machen. „Ich werte die Ermittlungen als positiv“, sagte gestern der grüne Bundestagsabgeordnete Christian Ströbele, der die Verletzten seinerzeit als erster deutscher Politiker besucht hatte. Bislang sind in Italien nur drei ranghohe Polizisten, darunter der Polizeipräsident von Genua, zurückgetreten. Mit der Planung des Einsatzes in der Schule war nach Informationen der taz aber nur einer von ihnen am Rande beschäftigt. Ob es mit der Aussage der Betroffenen gelingt, Einsatzleiter und Schläger zu überführen, ist jedoch mehr als fraglich. Es war damals dunkel, und die Täter waren vermummt.

Für kommenden Dienstag, 16.30 Uhr, ruft der Ermittlungsausschuss zu einer Demonstration vor dem Kriminalgericht Moabit, Turmstraße 91, auf, wo die Vernehmungen stattfinden. Gefordert wird die sofortige Einstellung der Verfahren gegen die Betroffenen.