Die Agrarwende ökonomisch definieren

Brandenburg ist Vorreiter bei der Agrarwende. Das Land kann zwar mit einer überdurchschnittlich hohen ökologischen Anbaufläche punkten, aber beim Vertrieb besteht Verbesserungsbedarf. Regionale Vermarktung ist unterentwickelt

Die viel gepriesene Agrarwende ist auch in Brandenburg angekommen. Allerdings lange bevor Renate Künast mit der grünen Faust kräftig auf den Tisch gehauen hat. Mehr als 550 Unternehmen produzieren in Brandenburg nach den Richtlinien des ökologischen Landbaus auf einer Gesamtfläche von mehr als 100.000 Hektar. Verglichen mit dem Bundesdurchschnitt, der bei gerade einmal drei Prozent liegt, kann sich das Land mit dem roten Adler im Wappen mit fast siebeneinhalb Prozent Ökoproduktion brüsten. Dennoch: „Der Vertrieb ökologisch produzierter Lebensmittel ist noch immer ein Problem“, sagt Jens Uwe Schade vom Brandenburger Landwirtschaftsministerium.

Gerade einmal jedes zehnte Produkt, das in Brandenburg ökologisch produziert werde, finde auf dem benachbarten Berliner Markt auch seine Käufer. „In den Regalen der Berliner Bioläden finden Sie Joghurt und Milch aus Süddeutschland, obwohl auch direkt nebenan in Brandenburg Biokühe leben.“ Lange Transportwege seien unter ökologischen Aspekten bedenklich. Die professionelle Vermarktung von Ökoprodukten hält Schade aber auch unter wirtschaftlichen Gesichtspunkten für unerlässlich: „Es macht keinen Sinn, wenn ein riesiger Markt entsteht, der alleine von Subventionen lebt.“ Daher müssten die Biobauern ihre Produktion auf wirtschaftlich sichere Füße stellen. Und genau das könne nur funktionieren, wenn über ein Mehr an ökologischer Produktion mittelfristig die Preise für Ökolebensmittel sinken: „Für schöne Argumente alleine greift kein Verbraucher tiefer in die Tasche, darum müssen auch biologisch angebaute Lebensmittel bezahlbar sein.“

Das neu aufgelegte „Bundesprogramm ökologischer Landbau“, das für 2002 und das kommende Jahr jeweils 35 Millionen Euro zur Verfügung stellt, soll zu einem gleichgewichtigen und dynamischen Wachstum von Angebot und Nachfrage bei Bioprodukten beitragen. Dem Programm misst Schade für das Land Brandenburg allerdings keine große Bedeutung bei: „Bei der Produktion sind wir ohnehin Spitze, da müssen vor allem die westlichen Bundesländer aufholen.“ Den Weg der Bioprodukte zum Verbraucher will die im vergangenen Jahr neu gegründete Erzeugergemeinschaft Gäa Una optimieren.

Vierzehn Höfe haben sich zusammengeschlossen, um gemeinschaftlich ihre Ökoprodukte in Berlin und Umland zu vertreiben. Gäa Una bietet gesundheits- und geschmacksbewussten Verbrauchern Biofleisch von glücklichen Angusrindern, Gemüse, Kräuter, Milchprodukte und Obst , die auf den Berliner Ökomärkten verkauft werden. Der Vorteil für Bauern: Über die Direktvermarktung erzielen sie bessere Preise für ihre Produkte. Außerdem, sagt Regina Witt von Gäa Una, „können sich die Bauern auf die Produkte spezialisieren, von denen sie am meisten verstehen“.

Weil in vielen Berliner Läden Ökoprodukte aus anderen Bundesländern angeboten werden, legt die Brandenburger Milch ihrerseits weite Wege zurück. England und Dänemark sind begeisterte Abnehmer. „Bei der Milch könnte Brandenburg sofort den Bedarf der Hauptstadt decken“, ist Regina Witt überzeugt. Die Läden würden sich aber häufig für Produkte aus anderen Bundesländern entscheiden, weil es dort hin „langjährige und gute Kontakte“ gebe.

Bauern, die sich der ökologischen Erzeugergemeinschaft Gäa Una anschließen wollen, müssen sich bei der Produktion den Richtlinien der europäischen Bioverordnung und den Statuten von Gäa Una unterwerfen. Auch Interessenten, die ihren Hof auf eine ökologische Bewirtschaftung umstellen wollen, werden von der Erzeugergemeinschaft beraten.

Die Nachfrage von Landwirten, die nach ökologischen Kriterien produzieren wollen, scheint trotz aufgeregtem Geschrei von Bauernfunktionären auch bundesweit zu steigen: „Das Jahr 2000 war durch eine deutliche Zunahme des ökologischen Landbaus in Deutschland gekennzeichnet“, teilt das Landwirtschaftsministerium in seinem aktuellen agrarpolitischen Bericht mit. Die Zahl der ökologisch wirtschaftenden Betriebe habe im letzten Jahr im Vergleich zu 1999 um mehr als 20 Prozent zugenommen. Dies war der größte Zuwachs seit 1993. Allerdings sei das Einkommen konventioneller Betriebe im Vergleich zu Ökobetrieben immer noch höher. VOLKER ENGELS