„Du hast ja Augen wie ein Schlitz“

Vor jeder Sendung ihrer WG-Show „Zimmer frei“ müssen Christine Westermann und Götz Alsmann mit ihrem Team spielen üben. Der Gast weiß davon nichts. Auch nicht, dass in der Probe gerne ein bisschen geschlafen wird (So, WDR, 23.00 Uhr)

von JUTTA HEESS

Wenn Anne Will das gewusst hätte! Zwitschern wie ein Vogel soll sie, mit Federn auf dem Kopf. Und vor laufender Kamera alberne Spiele machen. Ohne Vorwarnung. Und mit ungewissem Ausgang. Aber so ist das, wenn man zu Gast ist bei „Zimmer frei“ – Überraschungen gibt’s inklusive.

Dabei ist in der WG-Show alles nur halb so improvisiert, wie es aussieht. Denn vier Stunden bevor die Moderatorin der „Tagesthemen“ das Studio B im Keller des WDR-Gebäudes in Köln zur Aufzeichnung der Sendung betritt, wird hier schon eifrig geprobt und spielen geübt. Mit Regieassistentin Jutta Rundholz als Anne-Double. Schließlich muss auch ein „permanenter Kindergeburtstag“ (Welt am Sonntag) halbwegs organisiert sein.

Das sieht Götz Alsmann genauso – zumindest was die Einrichtung seiner Garderobe betrifft. „Können Sie mir helfen, meine Stereoanlage aufzubauen?“, fragt er. Und man ist sicher, dass der Musiker Alsmann keine Mühen scheut, um in den kommenden vier Tagen, in denen eine Livesendung und vier Aufzeichnungen stattfinden, sein eigenes Zimmer zu beschallen. Doch die Stereoanlage ist in Wirklichkeit bloß ein klitzekleiner CD-Spieler mit zwei zierlichen Lautsprechern, aus denen nach erfolgreicher Installation die Stimme Margot Hielschers ertönt.

TV-Maßanzug

Viel kleiner als gedacht ist auch Götz Alsmanns Tolle, die in unbearbeitetem Zustand ungefähr so aussieht wie ein zu wuschelig geratener Seitenscheitel. Zudem macht er entschuldigend darauf aufmerksam, dass sein Anzug zu groß ist und echt schlampig aussieht: „Er stammt noch aus meiner dicken Phase.“ Die Sendung hingegen sei mittlerweile ein Maßanzug. Eigentlich sollte „Zimmer frei“ lediglich das Sommerloch von 1996 stopfen – aber aus dem „Bildschirmschoner“ ist eine Kultsendung geworden, die mit dem Grimme-Preis ausgezeichnet wurde. Prominente werden hierbei von Götz Alsmann und seiner Kollegin Christine Westermann auf WG-Tauglichkeit gestestet – er ist der Clown, sie stellt die Fragen, strikte Arbeitsteilung also. „Das Journalistische interessiert mich nicht, ich will mit meinen Gästen Spaß haben“, bekräftigt Alsmann seine Rolle. Und fügt hinzu: „Christine ist eine wunderbare Partnerin.“ Weiter kommt er nicht, denn eine freundliche Mitarbeiterin steckt den Kopf durch die Tür: „Christine …“ – „… ist zehn Minuten zu spät“, vollverständigt Alsmann den Satz. Vermutlich nicht weil er Gedanken lesen kann.

Dennoch erscheinen Herr Als- und Frau Westermann halbwegs pünktlich zur Probierstunde. Und es scheint, als hätten sie ihren eigentlichen Job kurzzeitig dem Regisseur übertragen. Elmar Herkrath hat nämlich das Mikro in der Hand und ist während der Probe moderationstauglicher als Götz und Christine zusammen. Die sagen bloß: Rhabarberrhabarber, wischiwaschi, hmhm. „Und noch mal die Begrüßung, bitte!“ Rhabarberrhabarber, wischiwaschi, hmhmhm. Ähnlich lautmalerisch geht es kurz darauf beim Einstudieren der Hausmusik zu, bei der erneut Jutta die Anne macht, mit Federn geschmückt auf einer Schaukel sitzt und pfeifen muss wie ein Vogel (weil die echte Anne das so gut kann): „Zwitscherzwitscherzwitscher, türülüü“ – begleitet von Götz Alsmann am Klavier. „Das klingt wie eine Dronte“, wirft er ein und glänzt nebenbei mit seinem berüchtigten Spezialspezialwissen. „Ein Vogel aus Madagaskar, ausgestorben im 18. Jahrhundert.“

Christine Westermann findet ihren Partner aber trotz dieser Geistesgegenwart gar nicht so ausgeschlafen und stellt – während Regisseur und Kameramann über die richtige Einstellung diskutieren – fest: „Götz, du hast ja Augen wie ein Schlitz.“ Das ändert sich jedoch, als er das nächste Spiel simulieren darf. Es heißt: „Anne-Will-bei-der-Lösung-einer-schwierigen-Konzentrationsaufgabe-aus-der-Fassung-bringen“. „Götz, du musst die Kofferinnereien ausprobieren“, weist der Regisseur an. „Das kann dauern“, murmelt Christine. Und täuscht sich. Denn flink hat Götz Alsmann die gesamte Störmanövriermasse getestet: Megafon, Kuhglocke, Sirene, Rassel. „Nur die Funktion des Schnurrbarts ist mir nicht einsichtig“, erstaunt er sich.

„Geh mal zu Götzi!“

Danach werden die Einspieler abgefahren und wird die Situation im Zimmer, in dem Christine Westermann ihren Gästen näher kommt, getestet. „Sitztechnisch fühlst du dich wohl, Christine?“, fragt Elmar Herkrath. Noch wohler fühlt sich Götz – er hängt auf der Couch, hat seine Augenschlitze vorübergehend geschlossen und schläft. Nicht mehr lange, denn kurz darauf kommt das Bilderrätsel, das Anne Will später lösen soll, ins Studio getrottelt: ein Hund. „Götz hat doch Angst vor Hunden“, weiß Westermann und souffliert: „Geh mal zu Götzi!“ Der Hund will aber nicht, sondern lässt sich mit Frolic trainieren; der erwachte Götz Alsmann vertreibt unterdessen seine Angst mit Musiktherapie und beklimpert eine kleine Gitarre.

Schlussendlich steht noch das Seehundspiel auf dem Probenprogramm. Hierbei soll Jutta alias Frau Will am Strand entlangspazieren und sich mit Götz, dem kleinen Seehund, anfreunden (weil ihr Lieblingskinderbuch „Sei mein Freund, kleiner Seehund“ heißt). Götz schnallt sich Flossen an die Füße, springt Anne-Jutta an, beide fallen zu Boden. Genug geübt, Spiel gelungen. Nur mit Frau Westermann muss noch ausdiskutiert werden, ob ein Seehund bellt oder eher „ughughugh“ macht.

„Wie gut die Probe war, sieht man immer erst in der Sendung“, meint Redakteur Hans-Georg Kellner kurz vor der Aufzeichnung. Und trotzdem – oft kommt sowieso alles ganz anders. Aber das bekommt der Zuschauer janicht mit. Eigentlich auch nicht, dass während der Sendung von der Regieassistentin ein großes Schild parat gehalten wird, auf dem „Anne Will“ steht. „Man kann nie wissen“, sagt Jutta. Könnte ja sein, dass die Moderatoren plötzlich den Namen ihres Gastes vergessen haben.