Die Tobin-Steuer wird salonfähig

EU-Kommission: Börsenspekulation kann Armut verschärfen. Diskussion über Beschränkung des Kapitalverkehrs

BERLIN taz ■ Die Europäische Kommission beginnt sich mit den Forderungen globalisierungskritischer Gruppen wie Attac auseinander zu setzen. In einem soeben veröffentlichten Gutachten widmet die Kommission der Einführung der so genannten Tobin-Steuer breiten Raum. Diese Steuer könnte laut Attac gefährliche Spekulationswellen auf den weltweiten Finanzmärkten eindämmen.

In ihrer Studie „Antworten auf die Globalisierung“ räumt die Kommission ein, dass „es ein erstrebenswertes Ziel ist, die Schwankungen der Wechselkurse zu reduzieren“. So wurden etwa durch massive Spekulationen während der asiatischen Finanzkrise von 1997 die Währungen von Thailand und anderen Staaten massiv abgewertet. Kurzfristige, spekulative Kapitalbewegungen hätten diese Krise ausgelöst, heißt es in dem EU-Papier. Die Entwicklung sei dadurch behindert und die Armut verstärkt worden.

Als ein Mittel gegen derartige Krisen nennt die Kommission das nach dem US-Ökonomen James Tobin benannte Steuerkonzept. Komme es zu großen Wertschwankungen, schlägt der deutsche Finanzwissenschaftler Paul Bernd Spahn in Tobins Sinne vor, solle der Umtausch von einer Währung in die andere mit einer hohen Steuer belegt werden. Diese könne bis zu 100 Prozent betragen. Spekulationsgeschäfte, die die Krise verschärfen, würden damit sinnlos.

Neben diesen Argumenten nennt das EU-Papier aber auch Kritikpunkte. Die Tobinsteuer könne Finanzkrisen möglicherweise sogar verschärfen, denn sie schränke das Volumen des Kapitalverkehrs ein. Auf einem engeren Markt würden Spekulationsgeschäfte größere Wechselkursschwankungen auslösen, als auf einem unbeschränkten Markt. Die EU-Experten beschränken sich auf die Abwägung der Pro- und Contra-Argumente und sprechen sich nicht deutlich für oder gegen die Tobin-Steuer aus.

Peter Wahl von der deutschen Attac-Sektion schätzt die Studie einerseits als Fortschritt ein. Die EU nehme die Probleme des internationalen Finanzsystems ernst und denke über Abhilfe nach. „Die Vorschläge allerdings greifen zu kurz“, so Wahl.

Die Globalisierungsstudie haben die Finanzminister bei ihrem Treffen vom Oktober 2001 in Auftrag gegeben. Sie reagierten damit auf den Widerhall, den die Forderungen von Attac & Co. nach den Demonstrationen von Genua im vergangenen Sommer gefunden hatten. HANNES KOCHwww.europa.eu.int/comm/commissioners/solbes/index_de.htm