Zwischen Maschine und Fleisch

■ Mit einem Tanzsolo von Sioned Huws –„Dear Body“ – ging am Wochenende die Reihe „Zeig mir dein Fleisch!“ zu Ende

Leise und unspektakulär ging am Wochenende auf Kampnagel die Body-Art-Reihe „Zeig mir dein Fleisch!“ zu Ende. In der Uraufführung ihres Tanzsolos Dear Body stellte die walisische Choreografin und Tänzerin Sioned Huws einen Körper vor, der sich in der Bewegung selbst transzendiert. Ein Körper, der wie eine fein konstruierte Maschine anmutet – und doch bewegt sich da ein selbstbestimmtes Wesen aus Fleisch und Blut. Auf verblüffende Weise changiert Huws' Tanz zwischen diesen beiden Möglichkeiten. Trotz der Monotonie dieser etüdenartigen Choreografie schaffte sie es, die Konzentration des Publikums zunehmend zu schärfen.

Ein runder Schemel, ein rechte-ckiger Tisch, eine Leiter, die aufgestellt ein spitzwinkeliges Dreieck bildet, verteilen sich über eine Diagonale in dem weiß und schwarz ausgeschlagenen Raum. Alltagsgegenstände, zu denen Huws ihren Körper in Beziehung setzt. Anfangs aus der Entfernung, später ganz direkt. Ziemlich vertrackt sind ihre dennoch harmonisch wirkenden Bewegungssequenzen.

Den Torso verschraubt, den Kopf in entgegengesetzte Richtung gedreht, die Arme gerundet, tastet sie mit abgezirkelten Schritten die Seiten und die Diagonalen der Bühne ab und öffnet dabei den Bewegungsraum, in dem der Körper seine Bestimmung sucht. Oder vielleicht gar nicht mal sucht, sondern: in dem er einfach nur da ist. Nichts ist hier erzwungen. Mit unendlichem Gleichmut, von einer Neutralität, die fast skeptisch stimmt, lotet die Tänzerin Wege, Ebenen und Strukturen aus, segmentiert die Einheiten, indem sie einfach innehält und wenig später den Bewegungsfaden weiterspinnt.

Auf diese Weise durchstreift sie Posen und Alltagsgesten, ohne sie zu kommentieren, ohne auf Ausdruck zu drängen. Ihre schwarze Kleidung – Rollkragenpullover, Hose und Strümpfe – lassen nicht die geringste Muskelanspannung erkennen. Ein Schaben und Kratzen, Geräusche, als würde jemand angestrengt Möbel rücken, dringen aus der Ferne ans Ohr. Angeblich hat Huws diese Töne direkt von ihrem Körper in Bewegung abgenommen. Klangliche Störfelder, die zu dem Gesehenen jetzt einfach nicht mehr passen wollen.

Früher hat sich Huws in Massenchoreografien mit dem kollektiven Körper beschäftigt. Hier verortet sie das persönliche Sein in seinen Bestandteilen. Zum Schluss setzt sie sich am vorderen Bühnenrand auf den Schemel und schaut gerade ins Publikum. Womöglich könnte man sie jetzt ansprechen, Fragen stellen. Doch würde jedes Wort den schwebenden Zustand zerstören, diesen leise aufgewirbelten Raum sogleich wieder verschließen.

Irmela Kästner