„Tests gelten als Barrieren“

Die stellvertretende Landesvorsitzende der GEW, Sanem Kleff, hält nichts von standardisierten Deutschtests

taz: Frau Kleff, was halten Sie von den Sprachstandserhebungen, die derzeit durchgeführt werden?

Sanem Kleff: Es ist pädagogisch unbestritten, dass wir Verfahren benötigen, die den Sprachstand der Kinder objektiv erfassen. Die Tests, die derzeit eingesetzt werden, sind zwar noch nicht perfekt, aber das ist kein Drama, das braucht eben Zeit. Meine Kritik bezieht auf zwei andere Ebenen. Eine davon ist die politische Botschaft, die mit den Tests vermittelt wird. Der Begriff Sprachtest ist in den letzten Jahren im Zusammenhang mit dem neuen Staatsbürgerschaftsrecht als Hürde diskutiert worden. Vor der Einbürgerung muss ein Sprachtest bestanden werden.

Die Schulverwaltung spricht nicht von Tests, sondern von Sprachstandserhebungen.

Dennoch gibt es diesen ideologisierten Kontext, in dem die Tests als Barriere diskutiert werden. Wer gut ist, wird mit der deutschen Staatsbürgerschaft belohnt, alle anderen haben Pech. Man darf nicht vergessen, dass derzeit in der aktuellen Diskussion die Sprachstandstest zur Einschulung zum Beispiel in Hessen oder nach Vorstellung der FDP in Hamburg als Zugangsbarriere zur Schule gehandhabt werden. Wer die Sprachstandstest nicht besteht, soll nicht eingeschult werden. In Berlin ist das derzeit nicht erlaubt. Aber da muss man aufpassen, da braut sich was zusammen.

Die GEW kritisiert auch die praktische Durchführung der Tests. Was läuft da Ihrer Ansicht nach falsch?

Die Kinder, die jetzt getestet werden, werden erst im Sommer eingeschult. Die Tests werden von Lehrerinnen durchgeführt, die Deutsch als Zweitsprache unterrichten. Sie müssen in dieser Zeit den Förderunterricht ausfallen lassen.

Aber ist es doch sinnvoll, dass genau die Lehrerinnen, die später die Kindern födern sollen, die Tests durchführen.

Sicher, wenn es sich um einen internen Test handelt, der nur zur gezielten Förderung dient. Der Punkt ist, dass jetzt ein standardisiertes Verfahren eingeführt wird, das viel Zeit und Ressourcen kostet. Doch die Erkenntnis, die diese Tests bringen werden, haben wir seit Jahren: Ein Drittel der Kinder nichtdeutscher Herkunftssprache bringt kaum Kenntnisse in der deutschen Sprache mit, das zweite Drittel ist so lala, und nur ein Drittel kann dem Unterricht problemlos folgen.

Es geht aber auch um Erkenntnisse über das individuelle Kind, das dann entsprechend gefördert werden kann.

Die Schulen erhoffen sich eine Lösung der Sprachvermittlungsprobleme von diesen Tests. Aber dadurch ändert sich noch gar nichts. Es geht hier eben nicht in erster Linie darum, die Ergebnisse den Lehrerinnen zum internen Gebrauch an die Hand zu geben. Es geht darum, die Kinder nichtdeutscher Sprache durch den Test entsprechend ihrem Förderbedarf in drei Gruppen aufzuteilen. Danach findet die Verteilung der Lehrerstunden zur zusätzlichen Förderung von Deutsch an die Schulen statt.

Was ist daran falsch?

Es nützt nichts, wenn wir immer feinere Messinstrumente zur Stundenverteilung einsetzen, wenn es nicht genug Ressourcen gibt. Wir brauchen mehr Lehrerstunden für den deutschen Förderunterricht. Und wir müssen die Lehrer entsprechend qualifizieren. Sonst nützen alle Tests nichts.

INTERVIEW: SABINE AM ORDE