ÖSTERREICHS FREIHEITLICHE WERDEN WEITER MIT HAIDER LEBEN MÜSSEN
: Rücktritt mit Kalkül

Peter Westenthaler ist FPÖ-Fraktionschef, 34 Jahre alt und seit 15 Jahren treuer Kofferträger Jörg Haiders. Jetzt hat er politischen Vatermord begangen. Westenthaler hat Haider öffentlich kritisiert: sanft und verklausuliert, aber doch deutlich genug. Die ständigen Interventionen aus Kärnten seien für die Arbeit des FPÖ-Regierungsteams nicht förderlich. Haiders mysteriöse Reise zu Saddam Hussein war nur der letzte Tropfen für ein volles Fass.

So brutal Haider im Austeilen ist, so dünnhäutig ist er beim Einstecken von Kritik. Doch hinter seinem mit Knalleffekt inszenierten Rücktritt steckt nicht nur Emotion, sondern auch Kalkül. Westenthaler sprach nur aus, was die FPÖ-Minister und wahrscheinlich die meisten Abgeordneten denken und intern auch sagen. Doch als Haider seinen Ziehsohn beim Wort nahm und sich „für immer“ in den Schmollwinkel zurückzuziehen gelobte, ließen die Parteifreunde ihren Fraktionschef im Regen stehen. Haider sei unverzichtbar, tönte es aus den Bundesländern. Parteichefin Riess-Passer ließ vor der gestrigen Sondersitzung des Parteivorstands wissen, sie würde Ordnung schaffen. Tatsächlich wird ihre Treue auf eine harte Probe gestellt: Haider trat zurück, ohne ihre Rückkehr aus den USA abzuwarten.

Dennoch wird Riess-Passer den Bruch nicht riskieren. Nimmt sie Haider beim Wort und lässt ihn ziehen, so kann sie vielleicht mit ihrem Team in Wien ohne weitere Zwischenrufe aus Kärnten arbeiten. Doch schon beim Parteitag im Juni riskiert sie die Absetzung. Denn die Basis, die Wählerinnen und Wähler, die bei seinen Aschermittwochsreden schenkelklopfend auch über die infamsten Witze lachen, brauchen Haider wie Süchtige ihre tägliche Dosis. Mit Sachpolitik wäre es dem begnadeten Populisten nie gelungen, seine Partei von 5 auf fast 27 Prozent der Wählerstimmen hochzupushen und als gleichberechtigten Partner in eine Koalitionsregierung zu hieven. Alle wissen: Ohne Jörg Haider würden die Freiheitlichen dramatisch absacken und vielleicht sogar hinter die Grünen zurückfallen. Die FPÖ muss weiter mit diesem Jörg Haider leben. RALF LEONHARD