Ich musste zu grafischen Mitteln greifen

■ Nach 15 Jahren verabschiedet sich Prof. Franz Winzentsen von der Hochschule für bildende Künste Hamburg. Ein Gespräch mit dem Animationsfilmer über die Anfänge in Deutschland, Walt Disney und die Eigenwilligkeit von Bildern

Prof. Franz Winzentsen lehrte 15 Jahre lang an der HfbK im Fachbereich Visuelle Kommunikation Animationsfilm. Morgen wird es zu seiner Verabschiedung ein ausgedehntes Programm mit eigenen Filmen und mit Filmen seiner StudentInnen im Metropolis-Kino geben. Die taz hamburg sprach aus diesem Anlass mit ihm über Mickey Mouse und andere Geschichten.

taz hamburg: Herr Winzentsen, Ihr erster Animationsfilm Die Verfolgung ist von 1964. Sie sind also seit etwa 40 Jahren im Geschäft. Wie wurden Sie Animationsfilmer?

Franz Winzentsen: Von 1959 bis 1964 war ich selbst Student an der HfbK. Mit unserem damaligen Lehrer Georg Gresko gingen wir nach der Schule abends oft ins Kino. Damals liefen noch Vorfilme, die meist interessanter waren als die Spielfilme danach. Zum Beispiel Filme von Norman McLaren oder Dom von Valerian Borowczic und Jan Lenica, wo die Perücke ein Glas Milch schlürft, um es dann zu zerquetschen... Das hat mich fasziniert. Es kam dann die Idee auf, eine Arbeitsgruppe Film zu gründen. Georg Gresko beantragte den Kauf einer Bolex, die 3600 Mark kostete, was zu großen verwal-tungsmäßigen Konflikten führte. Die gingen so weit, dass Gresko sagte: Entweder die Bolex kommt oder ich gehe. Da die Bolex kam, machten wir sofort erste Versuche. Kurt Kranz erfand hierfür den Begriff „kinematische Grafik“. Heute nennt man es Animationsfilm.

Heute denkt man bei Animationsfilm wohl zuerst an Walt Disney. Ihre Filme stehen aber für eine andere Ästhetik. Was macht für Sie einen guten beziehungsweise gelungenen Animationsfilm aus?

Grundsätzlich gesagt: Die Niedlichkeit und kunstgewerbliche Oberflächlichkeit stehen den eigentlichen Möglichkeiten des Films im Wege und lassen sie ungenutzt, verunmöglichen sie mitunter sogar. Der erste Mickey Mouse-Film, Steam Boat Willy, ist ja kein schlechter Film, weil seine Bilder noch eigenwillig sind, es gibt keine Dialoge, keine vermittelnden Funktionen in den Bildern. Die meisten Animationsfilme funktionieren immer gleich: Figuren haben Geschichten zu spielen, und die Bildebene hat schon dadurch eine rein illustrative Rolle zu übernehmen. Durch die Popkultur mag sich diese Einschätzung etwas relativiert haben. Sie versucht, ein Bewusstsein zu schaffen für die Bedingungen und Bedeutungen einer noch so kitschigen Träne des Rehs und verändert somit die Rezeption schlechthin. Aber ich denke dennoch, dass Bilder selbst-referentiell sein sollten und für sich stehen können müssen.

Und wie versuchen Sie, eigenwillige Bilder zu erzeugen und ihnen ihre Eigenwilligkeit zu lassen?

In meinem Film Der große Sturm von 1992 zum Beispiel kommt eines Morgens ein heftiger Sturm auf, der alles aufflattern lässt. Dann gibt es das Bild einer flatternden Kamera, zu dem aus dem Off der Text zu hören ist: Da meine Kamera keine realistischen Bilder mehr liefern konnte, musste ich zu grafischen Mitteln greifen. Dieser Satz ist sozusagen methodisch zu verstehen. Danach kann man alles zeigen, alles versuchen, auch vermeintlich Widersinniges wie einen Kaktus, dem permanent alle Stacheln wegwehen, ohne jemals auszugehen... Es geht also um das Umwandeln, Umdeuten und Verändern, um einen schöpferischen Prozess.

Am 20. Februar verabschieden Sie sich von der HfbK. Was erwartet uns im Metropolis?

Um ehrlich zu sein, weiß ich es nicht, da meine StudentInnen Stefanie Rückholt und Klaas Dierks das Programm geplant haben. Ich weiß nur, dass meine letzten drei Filme zu sehen sein werden. Auf alles andere bin ich ebenso gespannt wie Sie. Vor allem auf die Filme der StudentInnen.

Wie gehen Sie damit um, dass Ihre Zeit an der HfbK jetzt zu Ende geht?

Ende des Jahres wird es eine Ausstellung im Stadtmuseum Buxtehude geben, die bereite ich jetzt vor. Dort werde ich die Geschichte des Wettlaufs von Hase und Igel neu zu schreiben suchen.

Wieso das denn?

Das verrate ich natürlich nicht. Nur soviel: Es hat etwas zu tun mit einer Schnapsflasche, die ich in einem Fuchsbau fand. Ansonsten habe ich an der HfbK soviel gelernt, dass ich viel Zeit brauchen werde, das alles für mich umzusetzen.

Interview: Sascha Demand

 morgen, 19 Uhr: Filme von StudentInnen, 22 Uhr: Filme von Franz Winzentsen