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„Freiwillig gehn wir nicht“

■ Solange ungeklärt scheint, wem die besetzte Villa gehört, wartet die Polizei ab / BesetzerInnen reparieren das seit rund fünf Jahren unbewohnte Haus

„Zwischen zwei Stunden und fünf Jahren haben wir alles für möglich gehalten“, sagt eine Hausbesetzerin in der Parkallee Nummer 5 über die mögliche Dauer ihrer Besetzung.

Seit drei Tagen wohnen und bauen die neuen BewohnerInnen in der heruntergekommenen Villa. Zwischen 15 und 50 BesetzerInnen oder SympathisantInnen seien tagsüber im Haus. „Am Sonntagmittag beim Frühstück waren wir fast achtzig Leute“, sagen die AktivistInnen zufrieden. Doch der Zustand des Hauses bietet wenig Grund zur Freude: „Als wir angefangen haben, die Fußböden zu reparieren, mussten wir vorsichtig über die tragenden Balken balancieren“, erzählt eine Beteiligte. So gut wie alle Dielen waren herausgerissen. Mittlerweile liegen im Hochparterre schon Teppichstücke auf den Spanplatten. Mit den Matratzen auf dem Boden und bunten Tüchern vor den Fenstern mutet es fast heimelig an – auch wenn die Nächte hier noch kalt werden.

In einem Badezimmer kann man neben der überraschend neuwertigen Gastherme – ohne Anschluss – allerdings nur noch ahnen, wo einst das Waschbecken hing. Und von den Treppenaufgängen sind nur dunkle Schatten an den Wänden geblieben. Dort, wo die Handläufe waren, klaffen rund 15 Zentimeter tiefe Löcher in der Mauer. „Der Eigentümer Plebuch hat gesagt, er wollte das Haus ,besetzungssicher' machen“, erklären die neuen BewohnerInnen die Zerstörungen. „Die Bausubstanz ist aber nicht marode, wie es die Weser-Wohnbau behauptet. Wir haben hier Architekten und Zimmerleute“, sagt eine junge Frau.

Die BesetzerInnen scheinen Sympathien geweckt zu haben: Eine Frau gibt schüchtern lächelnd eine Kiste voller Schals an der Haustür ab. Ein Handy klingelt, dass jemand bald heiße Suppe vorbei bringt. Die „Familie B. Setzer“, wie die BewohnerInnen sich nennen, scheint nicht auf verlorenem Posten. „Eine ungefähr Siebzigjährige ist vorbeigekommen und hat uns Geld in die Hand gedrückt“, freut man sich. Sie sei schließlich auch mal jung gewesen, soll die alte Dame gesagt haben.

So viel Sympathie hat die Weser-Wohnbau GmbH, die Grundstück und Haus vom Voreigentümer Plebuch gekauft hat, nicht für die derzeitigen HausbewohnerInnen, die ihren Einzug als Aktion gegen Spekulation und weitere Stadtverschandelung durch Abriss verstehen. Eine Strafanzeige wegen Hausfriedensbruch liege der Polizei nicht vor, teilte Frank Kunze von der Polizei-Pressestelle mit. Ohne Strafantrag keine Strafverfolgung, also auch keine Räumung. „Ab und zu fährt eine Streife vorbei, das ist alles“, so der Sprecher.

Verhandeln will die noch vorges-tern offiziell als Eigentümerin gehandelte Weser-Wohnbau derzeit nicht. „Das können wir auch gar nicht“, hieß es dort. Denn die GmbH habe zwar den Kaufvertrag unterschrieben, sei aber noch nicht als Besitzerin ins Grundbuch eingetragen. Solange das nicht der Fall ist, gelte die Weser-Wohnbau nicht als Eigentümerin. Auch wolle die Gesellschaft das Haus nur übernehmen, wenn es „nutzerfrei“ sei. Nun scheint alles Weitere beim formellen Noch-Eigentümer Horst Plebuch zu liegen – der gestern nicht erreichbar war. Unterdessen teilte die Baubehörde mit, dass seit April 2001 eine Abrissgenehmigung für die Villa vorliege.

Die BesetzerInnen, die gestern Vormittag vergebens versucht hatten, mit der Weser-Wohnbau zu verhandeln, nutzen derweil die Zeit, um das alte Gemäuser bewohnbar zu machen. Klar ist aber auch: „Wenn die Polizei kommt, und räumen will, werden wir nicht einfach gehen.“ Ulrike Bendrat

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