Kein Blick zurück im Zorn

Nachdem die erste Medaille in der Nordischen Kombination seit 1988 dank guter Laufleistung sogar silbern glänzt, mag das deutsche Team nicht mehr mit dem leicht verpatzten Skispringen hadern

aus Soldier Hollow MATTI LIESKE

Samppa Lajunen hatte gerade seine zweite Goldmedaille bei diesen Spielen in der Nordischen Kombination gewonnen, und insofern war es verständlich, dass er ein bisschen verwirrt schien. „Es belastet einen ziemlich stark, wenn man als Erster startet“, sagte der Finne nach der abschließenden 4 x 5 km-Staffel, „es ist immer leichter, wenn man von hinten kommt.“ Mit Verlaub: Das war geballter Unsinn. Denn um ihren Sieg ins Ziel zu retten, benötigten die Finnen fast den gesamten Vorsprung aus dem Springen, bis auf winzige sieben Sekunden war er am Ende aufgezehrt. 1:51 Minuten waren die Skandinavier vor den als Fünfte gestarteten und am Ende zweitplatzierten Deutschen losgeflitzt, Schlussläufer Lajunen war noch mit 42,2 Sekunden Vorsprung auf die Strecke gegangen. Am Ende konnte er froh sein, dass es nicht ein paar hundert Meter weiter ging, denn dann hätten ihn der Deutsche Ronny Ackermann und der Österreicher Felix Gottwald womöglich noch überholt.

Der ungemein schwierige Langlaufkurs von Soldier Hollow bevorzugte, wie schon beim Biathlon, die starken Läufer mehr, als es sonst der Fall ist. Wer nicht mitkommt, kann auf der hügeligen Strecke selbst auf kurzen Distanzen immens viel Zeit einbüßen. „Wenn hier nicht alles zusammenpasst, dann bist du gleich nicht auf dem Podium“, sagt Ackermann. Eigentlich ein Vorteil für die Deutschen, die ihre größten Stärken in der Loipe haben, doch der 24-Jährige sprach aus bitterer Erfahrung: Im Einzelrennen hatte es bei Ackermann eben nicht hundertprozentig gepasst, und statt das erhoffte Gold zu gewinnen, verlor er am Ende sogar noch Bronze an den Österreicher Gottwald. Im Mannschaftswettbewerb drehte er nun aber den Spieß um. Als Zweiter ging er hinter Samppa Lajunen in die Schlussrunde, wurde aber schnell von Gottwald überholt. „Ich wollte, dass er das Tempo macht“, berichtete der Österreicher später, „aber er wollte nicht.“ Gottwald musste nun seinerseits versuchen, von der Spitze weg Silber zu holen, und konnte die Lücke beim letzten Anstieg auch vergrößern, aber anders als beim ersten Duell nicht weit genug. Im selben Moment, in dem Gottwald sah, wie nahe er Lajunen gerückt war, merkte er, dass ihm Ackermann immer noch im Nacken saß. Die Taktik des Deutschen hatte diesmal perfekt funktioniert, und auf der Zielgeraden zog er mit einem fulminanten Schlusspurt am Österreicher vorbei, direkt in die Arme seiner begeisterten Mannschaftskollegen. „Wenn einer von hinten kommt und die Beine nicht mehr so stark sind, hat man keine Chance“, sagte Gottwald enttäuscht.

Den Grundstein für die erste Medaille in der Nordischen Kombination seit dem Mannschaftsgold von 1988 hatte Björn Kircheisen gelegt. Als Startläufer war der 18-Jährige nicht nur an Japan, sondern auch noch am US-Amerikaner Todd Lodwick vorbeigestürmt und hatte ebenso wie die Nummer drei, Marcel Höhlig, die beste Laufzeit in seiner Gruppe hingelegt. Ackermann war zwar zwei Sekunden langsamer als Gottwald, aber mit fünfeinhalb Sekunden Vorsprung losgelaufen; und selbst Georg Hettich konnte an zweiter Position noch die drittbeste Zeit hinlegen. Damit war das deutsche Team die zweitschnellste Staffel hinter den Norwegern, die aber so weit zurückgelegen hatten, dass sie sich lediglich vom zehnten auf den fünften Rang verbessern konnten.

Das Gegenstück zu den Norwegern waren die Finnen. Denen hätten allerdings auch ihre hervorragenden Springergebnisse nichts genützt, wenn sie nicht Hannu Manninen als zweiter Läufer mit einer bärenstarken Leistung im Rennen gehalten hätte. „Die Strecke ist so hart“, sagte der einzige Athlet im finnischen Team, der gelegentlich auch bei den Langlaufspezialisten startet, „dass man, selbst wenn es nur 5 km sind, die Kräfte gut einteilen muss.“

In der deutschen Mannschaft herrschte derweil zwar große Zufriedenheit über die Silbermedaille, die immerhin ohne den zu Saisonbeginn bei einem Skisprungsturz schwer verletzten Sprint-Weltmeister Marko Baacke geholt wurde, aber das eine oder andere „wenn“ schlich sich doch in die Feierstimmung ein. „Abhaken kann man das nicht“, sagte Sprungtrainer Peter Rohwein über die alles andere als optimale Leistung auf der Schanze. Denn ein etwas besseres Abschneiden beim Springen hätte den laufstarken Deutschen auf diesem diffizilen Kurs von Soldier Hollow ideale Goldchancen eröffnet. „Wir sollten nicht zurückschauen“, wischte Ronny Ackermann solche Erwägungen brüsk hinweg, „es war die erste Medaille seit 1988, da sollte man nicht nach Fehlern suchen.“ Versöhnlich zeigte sich auch Hermann Weinbuch. „Wir wollten Bronze und haben Silber“, frohlockte der Bundestrainer und wurde für seine Verhältnisse geradezu euphorisch: „Endlich haben die Jungs mal gezeigt, was sie können.“