Wirtschaft, Macht, Nationalismus

betr.: „Nicht allmächtig, aber verantwortlich“, taz vom 16. 2. 02

Einerseits hat Erich Rathfelder eine profunde Kenntnis über fast alles, was (Ex-)Jugoslawien betrifft, andererseits kann er seine nationalistische Brille, durch die er die Fakten sieht, nie abnehmen und dadurch bestimmte Erkenntnisse einfach nicht sehen. Im Prinzip ist er damit genauso im Nationalismus gefangen wie viele, gegen die er anschreibt.

Er macht es sich zu einfach, wenn er die Serben pauschal als die Kriegstreiber hinstellt, ohne die dahinter stehenden ökonomischen und Machtinteressen sehen zu wollen oder zu können. Milošević hat es sicher sehr gut verstanden, große Teile der serbischen Bevölkerung zu manipulieren und gegen andere Nationalitäten aufzubringen. Nicht vergessen werden darf aber dabei, dass es bei den „Anderen“ eben auch solche Manipulierer und Aufwiegler gab, deren nationalistischen Scheinargumente eben in einer schweren wirtschaftlichen Krise, in der sich Jugoslawien ja Ende der 80er befand, auf fruchtbaren Boden fiel.

Milošević hat sicher schwere Verbrechen begangen bzw. veranlasst, und Den Haag kann ein gutes Gremium sein, um diese zu sühnen und zur Vergangenheitsbewältigung beizutragen. Bei einer umgekehrt nationalistischen Sichtweise (Serben böse, die anderen gut), wie sie Rathfelder seit nunmehr zehn Jahren an den Tag legt, wird dies aber nicht gelingen. Wichtiger ist es, die Verquickung von Wirtschaft, Macht und Nationalismus aufzuzeigen, egal wo diese auftritt. Ob das aber einer Frau del Ponte gelingt, die eben auch durch solche Verquickungen in diese Position gelangt ist, bleibt doch fraglich. MARTIN ZEISE, Berlin