Der Bürgerkrieg in Nepal flammt wieder auf

Ein Angriff der maoistischen Guerilla mit mindestens 128 Toten zeigt die Fehleinschätzung der Regierung. Sie kündigt eine Gegenoffensive an

DELHI taz ■ Die nepalesische Regierung hat am Sonntag in einer Sondersitzung eine Gegenoffensive gegen die maoistische Guerilla angekündigt. Gestern trat außerdem das Parlament zusammen, um eine Verlängerung des Ausnahmezustands zu beschließen. Dessen Frist läuft Ende des Monats ab und muss von einer Zweidrittelmehrheit des Parlaments verlängert werden.

Oppositionskreise hatten in den letzten Wochen die Notwendigkeit dieses Schrittes bezweifelt. Die Regierung insistierte dagegen auf einer Verlängerung des Ausnahmezustands, obwohl auch sie behauptete, sie habe das militärische Rückgrat der Aufständischen gebrochen. Die Linksopposition kritisierte den Notstand, weil er zu einer Einschränkung der Grundrechte und zur Verhaftung missliebiger Kritiker geführt hatte.

Nach den Ereignissen vom Wochenende wird Premierminister Sher Bahadur Deuba keine Mühe haben, die nötige Zweidrittelmehrheit zu erreichen. Der Angriff von Maoisten auf den Bezirkshauptort Mangalsen im Westen des Landes hat gezeigt, dass sie trotz Mobilisierung der Armee weiterhin aktionsfähig sind.

Der Angriff im Bezirk Achhan rund 450 Kilometer westlich der Hauptstadt Kathmandu folgte dabei der bewährten Taktik früherer Aktionen. Mehrere hundert Rebellen umstellten in der Nacht zum Sonntag die Quartiere von Verwaltung und Polizei und zündeten Sprengsätze. Die in Brand geratenen Gebäude boten ihnen die nötige Beleuchtung, um die ins Freie flüchtenden Bewohner von allen Seiten unter Beschuss zu nehmen. Wie gezielt der Angriff war, lässt sich der Opferstatistik entnehmen: Unter den Toten – bislang ist von 128 die Rede – ist nur eine Zivilistin, die Frau eines Beamten. Die übrigen Opfer sind Soldaten, Polizisten und Beamte. Allerdings sind getötete Rebellen nicht mitgezählt. Wie früher haben die Maoisten auch diesmal ihre Toten mitgenommen.

Die Guerilla-Aktion vom Wochenende ist zweifellos die schwerste Niederlage des Staats im „Bauernkrieg“, den linksgerichtete Intellektuelle 1996 begonnen haben, und der inzwischen über 2.500 Menschen das Leben gekostet hat.

Am nächsten Wochenende jährt sich der Beginn des Konflikts zum sechsten Mal, und der Angriff in Mangalsen war zweifellos so gewählt, um den Staat an dieses Datum zu erinnern. Zudem erließ die Guerilla letzte Woche einen Aufruf zum Generalstreik am 23. und 24. Februar. Doch auch dieser vermochte die Regierung in ihrer Gewissheit nicht zu erschüttern, dass die Maoisten in voller Flucht begriffen seien.

Der Überfall zeigt auch, dass der Staat kaum über nachrichtendienstliche Informationen über die Guerilla verfügt. Dies ist auch ein Symptom für das große soziale und ökonomische Gefälle, das zwischen den verarmten Bauern, aus denen sich das Gros der Guerilla rekrutiert, und dem Staatsapparat besteht. Es mag zudem eine Erklärung für die Kaltblütigkeit sein, mit der die Guerilla die Vertreter eines Staats niedermetzeln, von dem sie – trotz Demokratie und Entwicklungshilfe – gänzlich vernachlässigt worden sind.

BERNARD IMHASLY