Milošević stellt sich aufs Treppchen

Am letzten Tag seiner Verteidigungsrede vor dem UN-Tribunal geht Jugoslawiens Expräsident erstmals auf die Anklagepunkte ein. Von dem Massaker an 7.000 Muslimen in der UNO-Schutzzone Srebrenica will er erst nachträglich erfahren haben

von ROLAND HOFWILER

Am dritten und letzten Tag seiner Verteidigungsrede vor dem UNO-Kriegsverbrechertribunal ging der ehemalige serbische und jugoslawische Staatschef Slobodan Milošević erstmals genauer auf einige der 66 gegen ihn erhobenen Anklagepunkte ein und bekundete in allen Fällen seine Unschuld. „Ob Sie es glauben oder nicht, von Srebrenica wusste ich nichts“, erklärte Milošević, „erst Carl Bildt, der UNO-Gesandte für Bosnien, hat mir davon erzählt.“

Das Massaker von Srebrenica ist einer der zentralen Anklagepunkte gegen Milošević. Sollte dessen Mitbeteiligung und „Beihilfe zum Genozid“ nicht nachzuweisen sein, würde ein wichtiger Aspekt des Verfahrens gegenstandslos. Nach Angaben der UNO-Ankläger wurde dieser Massenmord an etwa 7.000 bosnischen Männern und Jungen in Belgrad mit ausgeheckt und von dem damaligen bosnisch-serbischen Präsidenten Radovan Karadžić und dessen General Ratko Mladić, nur noch ausgeführt.

Nach Milošević’ Version wusste selbst Karadžić nicht, was sich vor Ort abspielte, als Mladić’ Truppen die UNO-Schutzzone stürmten und die UNO-Blauhelme kampflos kapitulierten. Als Tage später eine Brigade von 678 muslimischen Kämpfern an der bosnisch-serbischen Grenze angekommen sei, alles Soldaten aus Srebrenica, so Milošević weiter, hätten seine Grenztruppen die Männer sofort dem Roten Kreuz übergeben, „Keinem einzigen dieser Srebrenica-Kämpfer wurde ein Haar gekrümmt, fragen Sie diese Männer doch.“

Milošević brachte noch einige weitere Beispiele vor, wie seine Regierung über all die Jahre versucht hätte, die „Situation in den Krisenregionen“ zu beruhigen. Auch den Beschuss Dubrovniks habe er immer verdammt, das sei dokumentiert und das könnten westliche Politiker, wenn sie bereit seien, die Wahrheit zu sagen, jederzeit bestätigen. „Alles war ganz anders, als die Anklage behauptet.“ Die Anklagen seien Ergebnis antiserbischer Erfindungen, erklärte Milošević, „und des Hasses gegen mein Volk“.

Zur Untermauerung seiner Argumente zitierte der Angeklagte aus Briefen und Artikeln „weltbekannter Intellektueller“. Dazu zählte Milošević unter anderem Peter Handke und Alexander Solschenizyn. „Die Wahrheit ist auf meiner Seite. Ich bin der moralische Sieger“, rief Milošević. Seine entscheidende Rolle beim Dayton-Abkommen, das den Krieg in Bosnien 1995 beendete, werde ignoriert. Stattdessen werde er unbegründet mit falschen Anklagen verfolgt.

Milošević’ Resümee zum Ende seiner Verteidigungsrede: „Das geht ausschließlich auf den persönlichen Hass einiger westlicher Führer zurück, die zehn Jahre versucht haben, mich zu stürzen, um ihre Macht auf dem Balkan auszuweiten, etwa die Deutschen mit ihrem Hegemonismus und Drang nach Osten.“

Am späten Nachmittag ergriff wieder die Anklage das Wort und präsentierte ihren ersten Zeugen, Mahmut Bakalli, einen der einst einflussreichsten Politiker im früheren Jugoslawien vor Milošević’ Machtergreifung.

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