Verteidigung des Angriffs

In den USA erörtert man ungerührt weiter Kriegsszenarien. Erste Kritik wird laut

WASHINGTON taz ■ Während die heftige Kritik aus Europa an amerikanischen Angriffsplänen gegen den Irak nicht abreißt, zeigte sich Washington am Wochenende unbeeindruckt. Der Riss zwischen den Bündnispartnern diesseits und jenseits des Atlantiks scheint niemanden im Weißen Haus ernsthaft zu sorgen. Der Präsident ist ausgeflogen und meldet sich aus Tokio zu Wort. Bush lässt keinen Zweifel an der Mission seiner Präsidentschaft: „Die Geschichte hat uns eine einmalige Gelegenheit gegeben, die Freiheit zu verteidigen. Wir werden sie nutzen.“

Es scheint also nur noch eine Frage von Monaten, wann die USA den Irak angreifen werden. Die militärischenVorbereitungen im Pentagon laufen auf Hochtouren. In US-Zeitungen werden bereits detailliert mögliche Angriffszenarien mit Truppenstärken und Aufmarschgebieten durchgespielt. Erklärtes Ziel ist es, den irakischen Diktator Saddam Hussein zu stürzen und seine Massenvernichtungsmittel zu zerstören. Bushs Beraterteam ist offenbar zu der Überzeugung gekommen, dass die „Politik der Eindämmung“ gegenüber dem Irak fehlgeschlagen ist. Jetzt sollen offensive Schritte folgen, entweder als verdeckter oder offener Krieg.

Außenminister Colin Powell hatte jüngst noch abgestritten, dass konkrete Angriffspläne vorlägen. Wenig später überraschte der sonst moderate und komplex denkende Multilateralist mit der Äußerung, die USA würden gegen den Irak „zur Not auch alleine handeln“. So stehen die Zeichen in Washington offenbar auf Sturm. Angeblich sollen rund 200.000 Mann zum Einsatz kommen. Die Truppen sollen von Kuwait aus in den Irak eindringen. Im Golf seien bereits Vorauskommandos im Einsatz, die militärische Zentren einrichten, um später die Truppenbewegungen zu koordinieren. Zugleich versuchen die USA, Verbündete in der Region zu finden. Der CIA soll bereits Ausbilder und Spezialeinheiten nach Kuwait geschickt haben mit dem Ziel, kurdische und schiitische Kämpfer zu rekrutieren.

Dabei hatte noch vor wenigen Tagen selbst der US-Geheimdienst CIA erklärt, es gebe nicht genug Beweise für eine Komplizenschaft des Irak bei Terroranschläge gegen die USA, die es rechtfertigen würden, das Land zum nächsten Ziel im Krieg gegen den Terror zu machen.

Die Kritik an Bushs martialischer Rhetorik und seinem Schwarz-Weiß-Denken ist im Politikerlager noch verhalten. Einige Demokraten versuchen sich angesichts bevorstehender Wahlen im Herbst zu profilieren und gehen auf Distanz zu Bushs Weltsicht von der „Achse des Bösen“. Diese Formulierung sei ein Fehler gewesen, sagte vergangene Woche der Mehrheitsführer im Senat Tom Daschle. Expräsident Bill Clinton warnte am Freitag davor, den Kampf gegen den Terror ausschließlich mit militärischen Mitteln führen zu wollen und plädierte für einen neuen „Marshall-Plan“, um dem Terror den sozialen und wirtschaftlichen Nährboden zu entziehen.

Mit scharfen Worten wagen sich jedoch Kommentatoren und Publizisten an die Öffentlichkeit. Da wird Bushs „Achsentheorie“ nicht nur gefährlich, sondern auch schwachsinnig genannt. Amerika laufe Gefahr, alle Symphatien, die ihm nach dem 11. September entgegen gebracht wurden, zu verspielen.                MICHAEL STRECK