Zwischen Metal-Riffs und Soundscapes

Drei Abende mit aufgeschlossenen Genrevertretern: Das Festival „JazzLand Norge“  ■ Von Gerd Bauder

Was ist Jazz? Laut Duden ein „Musikstil, der sich aus der Volksmusik der amerikanischen Schwarzen entwickelt hat“. Der US-amerikanische Schlagzeuger Billy Cobham sagte einmal: „Jazz is Norway.“ Nun ist Ersteres eine zutreffende, wenngleich wenig zufrieden stellende Definition, Cobhams Aussage indes erklärt sich erst bei näherer Betrachtung. Dann allerdings – nach einem Blick darauf, wer heutzutage die heißeren Alben veröffentlicht, zu den angesagten Acts gehört und im Genre neue Wege beschreitet – fällt auf: Norwegische MusikerInnen wie Jan Garbarek, Terje Rypdal, Nils Petter Molvaer oder Eivind Aarset stellen einen überproportionalen Anteil an dieser Gruppe.

Warum das so ist? Irgendwo im Komplex von Nachkriegs-Jazzrezeption, progressiver Musik-(hoch)schul-Politik, Talentförderung und dem Erfolg des auf dem ECM-Label gefeaturten „europäischen Jazz“ liegt wohl die eine oder andere Antwort verborgen. Eins steht jedenfalls fest: In Norwegen geht einiges in Sachen Jazz. Wovon sich das Hamburger Publikum jetzt ein Bild machen kann: Im Rahmen des Festivals „JazzLand Norge“ gastieren diese Woche an drei Abenden gleich sechs norwegische Bands und Projekte in der Stadt.

Zunächst werden heute DJ TeeBee mit Kollegen sowie das Progressiv-Trio Kroyt ausloten, was sich alles als Jazz definieren lässt. TeeBee gehört zu den führenden Drum'n'Bass-DJs Europas und feilt als Labelmate von Photek und Source Direct an der Weiterentwicklung des Genres. Jazz-Puris-ten werden ihn nicht verstehen, dafür aber die offenherzigeren unter den Breakbeat-Anhängern. Kroyt, in ihrer Heimat Top Ten-Stars, machen mit ihrem „Jazzlyrikpop“ auf den ersten Blick ebenfalls keinen Jazz. Sängerin Kristin Asbjornsen erinnert gerne mal an Björk oder gar P. J.Harvey, während Metal-Riffs, Computerbeats und ausufernde Improvisationen, live von Videoinstallationen flankiert, für ein abwechslungsreiches Fundament sorgen. Ist das Jazz? Vielleicht.

Im klassischen Sinne mehr Jazz gibt es am Freitag, wenn die Gitarristen Eivind Aarset und Terje Rypdal in der Fabrik gastieren. Rypdal, einer der Großen der Siebzigerjahre, kann sich auf der aktuellen Platte seines Projekts Skywards leider nicht ganz zwischen Spontaneität, düsteren Soundscapes und freiem Fluss einerseits und esoterisch angehauchtem Fusion andererseits entscheiden. Nach welcher Seite er live, von Schlagzeuger Paolo Vinaccia und Keyboarder Stole Storloekken begleitet, ausschlagen wird – man darf gespannt sein. Aarset, der mit seiner Band „electronique noire“ zu machen verspricht, läuft dagegen kaum Gefahr, in seichte Gewässer abzudriften: Groove und Großstadtlärm treffen auf Gitarre, Bass und Schlagzeug.

Am Sonntag geht es dann wiederum gemächlicher zu. In der St. Johanniskirche schicken Kirchenorganist Iver Kleive und E-Gitarrist Knut Reiersrud ihre Instrumente auf eine Reise durch Klassik und Jazz. Eine schwierige Route, die mit überraschenden Blues-Interpretationen daherkommt, sich aber auch in Flinke-Finger-Virtuosität verlieren kann. Zum Abschluss werden dann Grace spielen: Kontemplation, nicht zuletzt durch die Stimme der Sängerin Anneli Drecker hervorgerufen, steht im Mittelpunkt des Projekts von Ketil Bjornstad. Dabei wird Jazz dann zu einer Art World- oder Ethnopop.

TeeBee/Darknorse/Strangefruit und Kroyt: heute, 21 Uhr, Fabrik; Terje Rypdal und Eivind Aarset: Freitag, 22.2., 21 Uhr, Fabrik; Knut Reiersrud/Iver Kleive und Ketil Björnstadt/Grace: Sonntag, 24.2., 20 Uhr St. Johanniskirche Harvestehude