salt and pepper
: Olympische Figuren: Apolo Ohno und Mitt Romney

Wer sagte das F-Wort?

Wenn Apolo Anton Ohno vor den Olympischen Spielen gefragt wurde, ob er tatsächlich vier Goldmedaillen im Short Track gewinnen könne, sagte er stets: „Praktisch unmöglich.“ Dafür gäbe es in diesem Sport viel zu viele Unwägbarkeiten. Als hätte er geahnt, was ihm in seinem ersten Finale widerfahren würde: In Führung liegend, wurde er kurz vor dem Ziel umgerissen, stürzte zusammen mit drei weiteren Kontrahenten und schlitzte sich dabei mit einer der eigenen Kufen, die beim Short Track skalpellscharf geschliffen sind, den Oberschenkel auf, während der abgeschlagene Australier Steven Bradbury als letzter Aufrechter das Gold abstaubte. Ein Finish, als würden beim olympischen Endlauf über 5.000 m die vier führenden Kenianer kurz vor dem Ziel vom Blitz getroffen und ein dreißig Meter hinterhertrottender Läufer, sagen wir Dieter Baumann, gewinnen. Ohno holte Silber, indem er über den Zielstrich schlitterte, und während die empörten TV-Kommentatoren schon wieder Medaillenbetrug witterten, erteilten der Amerikaner und der Australier dem Land eine Lektion darin, wie eine wirklich unverdiente Goldmedaille aussieht und was ein guter Verlierer ist. Kein böses Wort fand Ohno bis heute, sondern sagte bloß begeistert grinsend: „That’s Short Track.“ In der Tat: Die wilde Eisjagd ist eine stete Quelle des Missgeschicks – und keine Sache für Zimperlinge. Apolo Ohno will trotz mit sechs Stichen genähter Schnittwunde morgen Nacht über 1.500 m den zweiten Goldversuch starten. „Er ist ein harter Knochen“, sagt der Teamarzt.

Mitt Romney stellt eindeutig den Vorzeigemormonen dieser Spiele dar. 53 Jahre, fünf Kinder, aber nur eine Ehefrau, drei Häuser, Spross einer reichen, politisch einflussreichen Familie, erfolgreicher Geschäftsmann, redegewandt – und immer ein Strahlen im Gesicht. Kein Wunder, dass die Olympiabetreiber in Salt Lake City auf diesen Musterknaben verfielen, als sie nach dem Bestechungsskandal eine integre Figur suchten, welche die Karre aus dem Dreck ziehen sollte.

Als erste Amtshandlung lehnte Romney die 285.000 Dollar Jahresgehalt ab, die ihm als Präsident des Organiationskomitees zugestanden hätten, ein deutliches Signal.

Da es weit und breit keine Alternative zu Romney gab, waren die Bürger von Salt Lake City sogar bereit, ihm ein paar Fehler zu verzeihen, die normalerweise schwer wiegen hierzulande. Zum Beispiel seinen, wie es heißt, eher limitierten Glauben an das Buch Mormon, seine Ostküstenliberalität sowie die Tatsache, dass er lediglich vier Jahre seines Lebens in Utah verbracht hatte, als er auf der Brigham Young University in Provo studierte. Aufgewachsen war er in Michigan, wo sein Vater als Gouverneur amtierte, später graduierte er in Harvard in Recht und Management. Fortan lebte Romney als Unternehmensberater in Boston, gesellte sich zu den Republikanern und hätte 1994 um ein Haar Edward Kennedy bei der Senatorenwahl in Massachusetts geschlagen.

Bei den Olympischen Spielen hielt er sich nach seiner pathetischen Ansprache bei der Eröffnungsfeier meist im Hintergrund, sorgte aber hinter den Kulissen für eine Flexibilität bei der Lösung von Problemen, wie sie etwa in Atlanta 1996 komplett gefehlt hatte. Vermutlich hätten sie ihm bald ein Denkmal gesetzt in Utah, wäre da nicht diese vertrackte Sache mit dem F-Wort vorgefallen. Zweimal soll Mitt Romney das böse Wort „Fuck“ gebraucht haben, als er Polizisten, die einen Stau auf dem Weg nach Snowbasin nicht in den Griff bekamen, zusammenstauchte und höchstpersönlich die Verkehrsregelung übernahm. „Ich habe das F-Wort seit der High School nicht mehr gebraucht und selbst das tut mit heute noch Leid“, dementierte Romney wenig überzeugend das kapitale Verbalverbrechen. Er habe zu dem Polizisten nur gesagt: „Wer zur Hölle bist du und was zur Hölle tust du hier?“

Der Gescholtene zeigte sich ungerührt, gab an, dass er die Worte „hell“ und „fuck“ sehr wohl auseinander halten könne, und petzte weiter, dass der olympische Rohrspatz auch noch gefragt habe, was hier eigentlich für ein „shit“ vorgehe. Der Vorgesetzte des Polizisten verlangte ob dieser Ungeheuerlichkeit eine Entschuldigung von Romney, was dieser kategorisch ablehnte, in der Hoffnung, der Entrüstungssturm werde sich bald legen.

Da hatte er sich getäuscht, denn nun meldeten sich die olympischen Busfahrer zu Wort, die sich ungerecht behandelt fühlen. Mehr als ein halbes Dutzend von ihnen wurden gefeuert, weil sie freiwillige Transporthelfer mit exakt den gleichen Worten bedacht hatten, wie sie Romney vorgeworfen werden. Auch mit dieser Opposition wird der Organisationschef wohl leben können, zumal er ja nach dem Ende seiner Olympiamission nicht Busfahrer werden will, sondern bloß Gouverneur von Utah, wie gemunkelt wird. Und eines Tages natürlich Präsident der Vereinigten Staaten. Dann darf er auch wieder Fuck sagen.

MATTI LIESKE