Premiere Geschlechtsorgane

Der Bezahlsender würde gern Pornos ausstrahlen und erhofft sich heute Schützenhilfe vom Bundesverwaltungsgericht

„Pornografie hat im Fernsehen nichts zu suchen.“ Das ist das Credo der Hamburger Anstalt für neue Medien, die 1997 beanstandete, dass bei Premiere auch Softpornos ins Programm genommen wurden. Heute muss das Bundesverwaltungsgericht in Berlin entscheiden, ob das strikte Pornografieverbot im Fernsehen noch zeitgemäß ist.

Konkret geht es um fünf Filme mit Titeln wie „Gefährliche Gespielinnen“ oder „Schloss der Lüste“, die der Bezahlsender Premiere mehrfach im regulären Programm angeboten hatte. Zu sehen waren dabei auch primäre Geschlechtsorgane, und zwar im vollen Einsatz. Solche Filme zeigen damit mehr als bloße Erotik-Streifen, wie sie auch heute von RTL 2 oder Kabel 1 im Free-TV präsentiert werden.

Eigentlich ist die Rechtslage in Deutschland eindeutig. Harte Pornografie ist generell verboten. Dazu zählen Gewaltsex, Sex mit Tieren und natürlich Kinderpornografie. Die so genannte einfache Pornografie kann dagegen hergestellt, gehandelt und präsentiert werden – solange die Vertriebswege für Jugendliche nicht zugänglich sind und Erwachsene sie, wenn sie wollen, vermeiden können.

Das Fernsehen gehört nicht dazu. Ausdrücklich heißt es im Strafgesetzbuch, dass „eine pornografische Darbietung durch Rundfunk nicht verbreitet“ werden darf. Am Verbot harter Pornografie will zwar auch Premiere nicht rütteln. Gerne würde man aber relativ harmlose, wenngleich explizite Sexdarstellungen zeigen. Der Sender argumentierte, dass der Jugendschutz gewährleistet sei, weil ja nur Erwachsene ein Premiere-Abo ordern können.

Das wollte jedoch die Hamburger Medienanstalt, insoweit für die Premiere-Lizenz zuständig, nicht gelten lassen. Sie berief sich auf einen „Praxistest“ von Jugendschützern, wonach Eltern die Premiere-Chipkarte meist im Dekoder belassen und Kinder deshalb ungehinderten Zugriff auf das Programm haben. Inzwischen hat Premiere den technischen Schutz noch verbessert. Erotikfilme werden nun zusätzlich kodiert und können nur nach Eingabe einer vierstelligen PIN-Nummer angesehen werden. Einziges Zugeständnis der Medienaufsicht: Erotikfilme dürfen jetzt schon ab 20 Uhr (statt ab 23 Uhr wie im Free-TV) angeboten werden. Softpornos allerdings dürfen auch mit dieser „senderseitigen Vorsperre“ nicht gezeigt werden. Schließlich könne nicht garantiert werden, dass Eltern die PIN-Nummer auch sicher aufbewahren.

Dafür hat Premiere nun aber gar kein Verständnis mehr. „Eltern dürfen auch Pornofilme in der Videothek ausleihen“, kritisiert eine Sprecherin, „und niemand kontrolliert, was sie damit zu Hause machen.“ Der Streit wird in der Branche mit großer Aufmerksamkeit verfolgt. Schließlich ist ein reiner Pornokanal erst möglich, wenn das Pornoverbot für den Rundfunk neu definiert wird. Selbst manche Free-TV-Sender würden gerne härteres Material ausstrahlen. In der ersten Instanz, beim Verwaltungsgericht Hamburg, ist Premiere allerdings unterlegen. Jetzt hat der Sender in einer Sprungrevision das Bundesverwaltungsgericht angerufen, das heute verhandelt und vermutlich auch entscheidet. Wie Premiere einen juristischen Erfolg konkret umsetzen würde, will man noch nicht verraten. Vorbild könnte Frankreich sein. Im dortigen Bezahlfernsehen Canal+ kann Pornografie schon lange ausgestrahlt werden. Und zwar ohne jeden PIN-Code.

CHRISTIAN RATH