Arbeitszeit flexibler gestalten

Ver.di probt, wie die Auflösung des Acht-Stunden-Tages erträglicher wird

BERLIN taz ■ Mit drei Modellprojekten in Berlin, Lübeck und Nürnberg startet die Dienstleistungsgewerkschaft Ver.di ihre aktuelle Kampagne zur Arbeitszeitpolitik. In den Projekten sollen ArbeitnehmerInnen ihre Arbeitszeiten besser aufeinander abstimmen. So plant Ver.di in Berlin, Kindergärtnerinnen, Krankenschwestern und Verkäuferinnen an einen Tisch zu bringen. Am Ende der Gespräche soll ein Modell stehen, bei dem die Kinder trotz später Ladenschlusszeiten und Wochenenddienste betreut werden, ohne die Erzieherinnen mit zusätzlichen Überstunden zu belasten.

Erstmals spiele Ver.di damit den Bonus ihres Zusammenschlusses im März 2001 aus, sagte Magret Mönig-Raane, stellvertretende Ver.di-Vorsitzende. Die Einzelgewerkschaften hätten lediglich die Interessen ihrer Branche bedient, jetzt sei die Kommunikation zwischen verschiedenen Dienstleistungsbereichen möglich. Für viele Arbeitnehmer werde die Zeit für ihr Privatleben aufgrund der flexibler werdenden Arbeitszeiten zusehends knapper. Die Vereinbarkeit von Berufs- und Privatleben sei nicht mehr nur ein Problem von Frauen. Die Konflikte, die durch die Änderung der Ladenschlusszeiten oder den Anstieg der Überstunden zwischen Verbrauchern und Dienstleistern entstehen, seien geschlechterübergreifend.

In den Projekten sollen innerhalb von zwei Jahren konkrete Lösungen für die Probleme, die aus der Auflösung des klassischen Acht-Stunden-Tages entstehen, gefunden werden. Daraus will Ver.di Forderungen für künftige Tarifverhandlungen ableiten. „Manchmal wird es nur Kompromisse geben“, schränkte Mönig-Raane ein. Schon heute fordert die Gewerkschaft Ganztagsschulen, ganztägige Betreuung von Kindern sowie die Anpassung der Öffnungszeiten von Verwaltungen und der Fahrzeiten des öffentlichen Personennahverkehrs (ÖPNV) an die verschobenen Arbeitszeiten.

Noch sind die Projekte nicht angelaufen. In Berlin fehlen die Arbeitgeber am runden Tisch; in Nürnberg diskutieren die Angestellten eines Briefverteilzentrums, mit welchen Fahrtzeiten der ÖPNV sie entlasten kann. Die künftigen Bewohner eines neuen Lübecker Stadtteils müssen sich erst noch über ihre Bedürfnisse verständigen, bevor sie den Stadtplanern ihre Forderungen vorlegen. NADIA LEIHS