Hoffnung, mühsam hervorgezerrt

■ In Tomas E. Pandurs Dante-Trilogie erfolgt am Thalia-Theater jetzt mit Purgatorio. Anatomy of Melancholy und Paradiso. Lux der Aufstieg gen Himmel

Der erfahrene Wanderer weiß: Auf jeden Abstieg folgt ein Aufstieg. Den Abstieg hat Dante Alighieri bereits vor einem Jahr in Tomaz E. Pandurs Inferno. The Book of the Soul, inszeniert am Thalia Theater, hinter sich gebracht. Im ersten Teil seiner Trilogie Inferno – Purgatorio – Paradiso nach Dantes Divina Commedia schickte der slowenische Regisseur den Dichter in die feucht-finsteren Tiefen der trichterförmigen Wellblech-Hölle, die Bühnenbildnerin Marina Hellmann als zeitgemäße Entsprechung des mittelalterlichen Weltbildes errichten ließ. Für die Fortsetzung der Commedia hat sie ein neues Szenario entworfen, verrätselt „Milchwasser“ genannt.

Nach der Wanderung durch die Sünderwelt – der ihn schützenden Gefährten Vergil und Beatrice stets eingedenk – steht Dante in den beiden letzten Teilen jetzt der Aufstieg ins Purgatorio – Fegefeuer oder Läuterungsberg – bevor. An dessen Gipfel wird er sich von seinem bisherigen Reisegefährten und Meis-ter Vergil verabschieden, um sich in die Obhut seiner Liebe Beatrice ins Paradiso vor den Thron Gottes führen zu lassen. Soweit Dantes Commedia.

Für seine Inszenierung verwendet Pandur das 700 Jahre alte dantesche Werk als Projektionsfläche zeitgemäßer Bilder von Hoffnungslosigkeit und Marter. Ausgangspunkt von Dantes Reise sind im Stück die wenig optimistischen Worte: „Lasst jede Hoffnung, wenn ihr eingetreten.“ Ausgangspunkt auch von Pandurs Reise durch das Werk? Oder Appell, sich Verzweiflung – egal welch geschundener Region man entstammt – keinesfalls zu gestatten? Wahrscheinlich, denn in Inferno war der Engel Balkan (im Stück: Angel Balkan), „der Engel, der immer dort ist, wo Hoffnung benötigt wird“ (Pandur), Ausdruck jener abstrakten Zuversicht. Ebenso die lieblich singende Beatrice, das fahle Licht der Sterne, die optimistische Bewegung nach oben sowie der Schlussvers der Commedia , der auch Pandur hoffen lässt: „Die Liebe, die beweget Sonn und Sterne.“

Doch seit September vorigen Jahres hat Hoffnung – auf Sicherheit und anderes – eine neue Folie bekommen. Heute könne man vielleicht von einem Engel Kandahar, New York, Grosny oder Jerusalem sprechen, sagt Tomas Pandur. Aus diesem Grund habe er die Zahl der Engel für das Purgatorio auf ein gutes Dutzend erhöht, „multipliziert“, wie er es ausdrückt.

Die Tatsache, dass die zwei Teile – Paradiso sollte ursprünglich erst 2003 herauskommen – nun doch zusammen produziert wurden, erklärt Direktor Ulrich Khuon damit, dass man die gesamte Trilogie gern auf einigen Gastspielen, so in Bogota (im März) und Seoul (im Herbst), habe zeigen wollen und sich deshalb für eine Zusammenlegung entschieden habe. Im Übrigen, so wird orakelt, werden Purgatorio und Paradiso, die beiden letzten Teile der Trilogie, kontemplativer daherkommen und, untermalt von Goran-Bregovic-Kompositionen, still ausklingen.

Christian T. Schön

Premiere: Freitag, 22. 2., 20 Uhr, Thalia Theater