Ringkampf potenter Frauen

Starke Kontraste: Ute Rauwald inszeniert am Schauspielhaus Friedrich Schillers Drama Maria Stuart  ■ Von Annette Stiekele

Sie liebt starke, kämpferische Frauen. Ob Penthesilea oder Sechs hässliche Töchter, Frauen, die Machtansprüche artikulieren, sind Ute Rauwalds Thema. Und auch ihre neue Regiearbeit handelt davon. Von zwei Frauen. Gegensätzlich und doch vereint in der Königsmacht. Verzweifelt und auf der Flucht aus ihrem Reich die eine, Maria Stuart von Schottland. Kämpferisch um den Erhalt ihrer Macht bemüht ihre Gegenspielerin, Königin Elisabeth von England. Jetzt bringt Ute Rauwald, Hausautorin am Deutschen Schauspielhaus ihre Sicht auf Schillers Klassiker Maria Stuart im Malersaal heraus. Und in der gegenwärtigen weltpolitischen Situation hat das Stück brisante Aktualität gewonnen. Zum einen ringen da zwei starke Frauenpersönlichkeiten. Im Vorfeld sorgte die Konkurrenzsituation der beiden Protagonistinnen auch im Ensemble für einen Eklat. Ursina Lardi, die die Elisabeth spielen sollte, kam mit der Übermacht der von Christiane von Poelnitz gegebenen Maria-Rolle nicht zurecht. Kurzfristig wurde sie durch Christiane Peters ersetzt.

Das andere große Thema ist die Frage, wie sich die Königsmacht bei einem Angriff auf den Volkskörper verhält. Wie wird eine politische Reaktion legitimiert, wenn sie sich einem Attentat von fanatisierten Selbstmördern gegenübersieht? Flankiert wird dieser Konflikt durch die Auseinandersetzungen Englands mit Frankreich und Schottland und den schwelenden religiösen Konflikt zwischen Puritanismus und Katholizismus im 16. Jahrhundert. Im Jahre 1587 muss Maria Stuart Schottland verlassen, weil ihr der Mord an ihrem Gatten angedichtet wird. Sie sucht Zuflucht bei Elisabeth von England, doch die sperrt sie erst mal in ein Verlies, weil sie fürchtet, dass Maria Ansprüche auf die Krone anmelden könnte. Im Gegensatz zu Maria hat Elisabeth – Tochter von Anna Boleyn – kein „reines königliches Blut“ vorzuweisen.

Da treten zwei Gewalttäter auf den Plan. Graf Leicester (Philipp Hochmair) sieht seine Liebe zu Elisabeth unerfüllt, da sie im Begriff ist, sich mit dem französischen Hof zu vermählen. Er kehrt zu seinen früheren Gefühlen für Maria Stuart zurück. Mortimer (Marek Harloff), Neffe ihres Bewachers Amias Paulet, hat sich nach streng puritanischer Erziehung auf einer Italienreise zum Katholizismus bekehrt und vermischt beides in sinnlich-religiösem Schwärmertum. Die gefangene Maria, in deren gemaltes Porträt er sich verliebt hat, steht für seine Ideale. „Mortimer ist ein moderner Selbstmordattentäter“, sagt Ute Rauwald. Er plant, sie in einer Verschwörung zu befreien. Doch die Aktion scheitert, Mortimer wählt den Freitod, und der ängstliche Leicester muss mit anhören, wie die Königin hingerichtet wird. Vorher kommt es zu einer Begegnung der beiden Königinnen, die zum endgültigen Zerwürfnis führt. „In der Realität wäre eine solche Begegnung unmöglich, weil man seinem Opfer nicht begegnen und es danach umbringen kann“, erzählt Rauwald. Sie wird diesmal wesentlich texttreuer arbeiten als in ihren freieren Kampnagel-Projekten und lässt nur einige Zeitdokumente einfließen.

Ursprünglich hatte sie ein eigenes Projekt geplant über Maria Stuart, Elisabeth und Maria Tudor, die Halbschwester Elisabeths und ihre Thronvorgängerin. Das Projekt musste sie fallen lassen, doch die Figur ist im Stück geblieben. In der Historie hatte Maria Tudor die einer Verschwörung verdächtige Elisabeth in den Tower werfen lassen, sie später jedoch angehört und freigelassen. Elisabeth in gleicher Situation handelt anders.

Das Bühnenbild suggeriert die Gerichtssituation, in der die Frauen um ihre Königsmacht ringen. „Dabei ist nicht eine das Opfer und die andere die Böse. Beide haben ein hohes Potenzial an Feindseligkeit und Verletztheit“, erzählt Rauwald. Die private Geschichte der Frauen interessiert sie weniger. Maria Stuart wird darin oft als verführerische Frau beschrieben. Elisabeth gilt als moderne Singlefrau, die ihr Virgintum bis in den Tod zum persönlichen Markenzeichen machte. „Der Kontrast ist eingeschrieben in das Stück. Die eine ist die Gefangene, Isolierte, die andere steht ständig in der Öffentlichkeit. Es sind beides potente Frauen“, sagt Rauwald. Spannend findet sie die Frage, wie sich die Kontrahentinnen aus der Geschichte ihrer Mütter lösen, in der Frauen in der Thronfolge übergangen wurden. „Dabei sind es in der Historie oft die Frauen, die in Zeiten des Umbruchs die Macht erhalten.“

Premiere: Sonnabend, 23. 2. , 20 Uhr, Schauspielhaus