Muslime als gute Bürger

Der Zentralrat der Muslime begegnet Misstrauen in der deutschen Gesellschaft mit einer „Islamischen Charta“. Klares Bekenntnis zu Rechtsstaat und Verfassung

BERLIN taz ■ Der Zentralrat der Muslime in Deutschland (ZMD) hat sich gestern in einer Grundsatzerklärung zur rechtsstaatlichen und demokratischen Grundordnung bekannt. Die „Islamische Charta“ (www.islam.de) sei nach den Anschlägen vom

11. September notwendig geworden, weil sich seitdem viele Bürger fragten, ob sie den Muslimen in dieser Krise vertrauen könnten, sagte der Zentralratsvorsitzende Nadeem Elyas bei der Vorstellung der Charta in Berlin. Die deutsche Gesellschaft habe ein Recht zu erfahren, wie die hier lebenden 3,2 Millionen Muslime zu ihren Fundamenten wie Pluralismus, Demokratie und Menschenrechte stünden. Aus Sicht des ZMD, der 19 muslimische Verbände mit rund 20.000 Mitgliedern repräsentiert, soll die Charta zu einer Versachlichung des Dialogs zwischen Muslimen und Mehrheit beitragen.

In der Charta spricht sich der ZMD ausdrücklich gegen die Herstellung eines klerikalen Gottesstaates und für die Religionsfreiheit und die Anerkennung des deutschen Ehe-, Erb- und Prozessrechts aus. Dies alles sind unter gläubigen Muslimen höchst umstrittene Punkte. So wird von vielen Muslimen die Heirat zwischen einer Muslima und einem Nichtmuslim mit Verweis auf den Koran verurteilt. Die Position des ZMD und seiner Mitgliedsorganisationen, so Elyas, lautet nun: „Nach dem Koran können wir eine solche Mischehe nicht legitimieren. Da wir allerdings das Eherecht respektieren, können wir das nicht verbieten. Wir können deshalb nur darauf hinwirken, dass es deshalb keine Störungen gibt.“ Elyas rechnet mit heftigen Debatten um die Charta unter den Muslimen in Deutschland.

In der Islamischen Charta fordert der ZMD auch umfassende Schritte für eine würdige muslimische Lebensweise in einer weitgehend säkularisierten Gesellschaft. Dazu gehören für den Dachverband die Einführung eines deutschsprachigen islamischen Religionsunterrichts ebenso wie die Erlaubnis des lautsprecherverstärkten Gebetsrufs oder der Vollzug des Urteils des Bundesverfassungsgerichts zum Schächten. In der Charta wird auch ein staatlicher Schutz der wichtigsten islamischen Feiertage gefordert.

Frauen und Islam – auch dieses Thema wurde bei der Präsentation der Charta gewürdigt. Ferya Banaz, stellvertretende Vorsitzende des ZMD, betonte wie viele Rechte die Frauen im Islam hätten und beklagte die Diskriminierungen, denen gläubige Muslima in Deutschland ausgesetzt seien. Ihr ganz persönliches Resümee lautet: „Unser Problem ist nicht die Frau im Islam, sondern die muslimische Frau und ihre Rechte in Deutschland.“ EBERHARD SEIDEL

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