Datenschutz soll Lifestyle-Produkt werden

Marketing statt Mäkelei: Datenschützer wollen ihr Image ändern. „Gütesiegel“ als Belohnung für vorbildliche Firmen

BERLIN taz ■ Und bist du nicht willig, so brauch ich den Markt: Am Dienstag noch erklärten Deutschlands innovativste Datenschützer der Presse, warum die Bundesregierung endlich ein Datenschutzgesetz für Arbeitnehmer schaffen müsse (vgl. taz von gestern). Am Mittwoch stellten dieselben Leute ein Gütesiegel für Datenschutz am Arbeitsplatz vor, um Datenschutz als Produkt zu verkaufen. Datenschutz, sagte Schleswig-Holsteins oberster Datenschützer Helmut Bäumler, müsse aus dem Zusammenhang der Grundrechte gelöst und „Lifestyle“ werden.

Zu lange hätten die Datenschützer auf „Kritik und Beanstandung“ gesetzt. Der Gesetzgeber reagiere auf die dank technischer Entwicklung rasant wechselnden Datenschutz-Bedürfnisse ohnehin mit Scheu und viel zu langsam. „Die Zukunft des Datenschutzes“, verkündete Bäumler, „sind positive Instrumente“, für die man die Bürger als Kunden gewinnen müsse. „quid!“ heißt nun das Zeichen, mit dem Firmen zeigen können, dass ihnen datenschutztechnische Sauberkeit bescheinigt wurde.

Die Zertifizierung sieht ungefähr so aus: Mitarbeiter der Technischen Überwachungsfirma TÜV iT kommen zum Callcenter oder zum Marktforschungsinstitut ins Haus und suchen als Erstes den Datenschutzbeauftragten. Gibt es den bei über fünf Mitarbeitern nicht, hat die Firma schon ein Problem. Die Software wird daraufhin überprüft, ob Kunden- und Mitarbeiterdaten regelmäßig gelöscht werden. Ist der Check erfolgreich gelaufen, darf die Firma einige tausend Euro für ein „quid!“-Zeichen hinlegen, sich damit schmücken und damit werben.

Eltern des Projekts sind Peter Wedde, Arbeitsrechtler und Datenschützer an der Fachhochschule Frankfurt/Main, sowie Lothar Schröder, Ex-Postgewerkschaftler, heute bei der Dienstleistungsgewerkschaft Verdi. Die 750.000 Euro für die Entwicklung hat neben Hochschule und Gewerkschaft auch die Europäische Union gezahlt. In der Testphase, erklärte Wedde, „haben wir gerade bei Kleinbetrieben katastrophale Datenschutz-Zustände angetroffen. Zum Teil war das strafrechtlich relevant.“ Dass das Interesse eines Kunden unter Umständen mit dem Interesse von Arbeitnehmern an Datenschutz unvereinbar sein könnte, gesteht Schröder sofort ein. „Bislang ist es aber so, dass es noch nicht einmal einheitliche Maßstäbe für einen Streit um Datenschutzinteressen gibt“, erklärt der Gewerkschaftler. „Mit einem Gütesiegel könnten wir zumindest die Arena für den Streit abgrenzen.“ UWI