Nahost: Jetzt herrscht Krieg

Massivste israelische Angriffe seit 17 Monaten. In 48 Stunden wurden 10 Israelis und 27 Palästinenser getötet. Arafats Hauptquartier erneut bombardiert. Israelisches Kabinett für noch härteres Vorgehen

JERUSALEM dpa/taz ■ Der fast 17 Monate alte Konflikt zwischen Israel und den Palästinensern nimmt immer mehr die Form eines Guerillakrieges an. „Dies ist ein Krieg“, rief Israels Regierungssprecher Raanan Gissin gestern in die Mikrofone des britischen Senders BBC. Und der militante Fatah-Führer Hussein al-Scheich bekräftigte nach dem tödlichen Überfall auf sechs israelische Soldaten am Dienstagabend: „Dies war doch ein legitimer Angriff. Dies ist ein Krieg.“ Der palästinensische Kabinettssekretär Ahmed Abdel Rahman feuerte seine Landsleute schließlich zu noch mehr Gewalt an: „Wir sind nur zehn Minuten von unserer Unabhängigkeit entfernt“, versprach er.

Die politischen Führungen beider Völker haben die Bemühungen um eine politische Lösung – zumindest vorläufig – aufgegeben. Nach fast 40 Toten auf beiden Seiten in zwei Tagen gab Ministerpräsident Ariel Scharon Israels Armee gestern grünes Licht für noch härtere Maßnahmen „im Krieg gegen den Terrorismus“. Militante Palästinenser wiederum vereinbarten bessere Koordination im Kampf gegen die Besatzer.

Die israelische Armee hat gestern die schwersten Angriffe auf palästinensische Ziele seit Beginn der Al-Aksa-Intifada geführt. Dabei bombardierten Hubschrauber das Präsidentenbüro Jassir Arafats in Ramallah – zum ersten Mal, seit dieser dort unter Hausarrest steht. Arafat kam nicht zu Schaden. Die F-16-Kampfflieger griffen zudem Ziele im Gaza-Streifen an. An der Küste feuerten zusätzlich Kriegsschiffe auf den Regierungssitz Arafats. Vier Sicherheitsbeamte wurden getötet. Bei den Angriffen auf Ramallah, Nablus und Gaza starben 15 Palästinenser. Am Nachmittag beschossen Apache-Hubschrauber das Flüchtlingslager al-Magasi im Gaza-Streifen.Die israelischen Angriffe folgten nach einem Überfall auf einen israelischen Kontrollposten westlich von Ramallah, bei dem am Dienstagabend sechs Soldaten getötet wurden.

Sowohl die Al-Aksa-Brigaden, die der Fatah-Bewegung Arafats nahe stehen, als auch Hamas bekannten sich zu dem Anschlag. Die Angreifer konnten sich ins Autonomiegebiet retten. Die Armee verhängte eine Blockade der wichtigsten Verbindungsstraßen zwischen den Städten im Westjordanland.

SUSANNE KNAUL

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