Labern bis der Kran kommt

■ Die BIG hat den Beirat Mitte über die Pläne für den Bahnhofsvorplatz belogen. Gibt es nun wenigstens strikte Auflagen für den Käufer Zechbau?

Die schnellste Behörde der Welt ist das Bremer Stadtplanungsamt. Wir schreiben den 30. Januar 2002: Morgens um zehn stellt die Firma Walterbau den Entwurf des Architekten Holger Gestering für das Investorengrundstück auf dem Bahnhofsvorplatz vor. Am Mittag dann die Hiobsbotschaft: Hauptmieter Tchibo, Grund für den Entscheidungsdruck, ist abgesprungen. Dennoch, das Planungsamt prüft weiter im Eiltempo. Und siehe da: Abends sind die Würfel gefallen.

„Völlig normal“, sagt Planungs-amtschef Detlef Kniemeyer, „Wir sind schließlich Profis“. Der Entwurf des Hamburger Büros Bothe/Richter/Teherani (BRT) nehme die städtebaulichen Bezüge besser auf und sei daher vorzuziehen. Noch am selben Tag spricht Kniemeyer mit Vertretern der städtischen Bremer Investitions-Gesellschaft (BIG). Man ist sich einig: Das Konsortium um die Firma Zechbau, Auftraggeber von BRT, soll das begehrte Grundstück bekommen. Die BIG bereitet daraufhin eine entsprechende Vorlage für die Senatssitzung am 5. Februar vor.

Einen Tag vorher erläutern Vertreter der BIG dem Beirat Mitte den neuen Entwurf und betonen: „Es ist noch nichts entschieden, das Verfahren ist total offen.“ Der Beirat ist begeistert: Endlich einmal fühlen sich die Ortspolitiker rechtzeitig beteiligt. Die vielbeschworene Transparenz scheint so greifbar wie nie zuvor. Die für ihre Geheimniskrämerei häufig gescholtene BIG nimmt den Beirat endlich einmal ernst – der Beginn einer neuen Ära? Am nächsten Morgen beschließt der Senat, wie die BIG es empfohlen hat: Das begehrte Gelände geht an das Zechbau-Konsortium. Zwei Wochen später nickt die große Koalition den Beschluss in der Bürgerschaft ab. Ende der Debatte. 20 Jahre städtebauliche Debatte um Bremens prominentestes Grundstück, Beiratssitzungen sonder Zahl – alles für die Katz.

Die Beiratsseele kocht nun natürlich: In einer Sondersitzung hatte Pressesprecher Lutz Ruminski vorgestern die undankbare Aufgabe, die mangelhaften Auskünfte seiner Vorgesetzten zu rechtfertigen: „Wir wussten doch am 4. abends noch nicht, wie der Senat am nächsten Morgen entscheiden würde.“ Beiratssprecherin Ulrike Hiller (SPD) ließ sich davon nicht überzeugen: Die Formulierung „alles offen“ sei klar „gelogen“ gewesen; sie fühle sich von der BIG „verarscht“. Rätselhaft bleibt auch, worauf die Kritik an Gesterings Entwurf in der Senatsvorlage fußt. Er sei an die BRT-Planung „angelehnt“, ist da zu lesen. Und das Grundstück werde nicht optimal ausgenutzt. Während Ruminski nicht müde wurde zu betonen, das Stadtplanungsamt habe die fachliche Bewertung vorgenommen, sagte Amtsleiter Kniemeyer zur taz, solcher Berwertungen würde er sich grundsätzlich enthalten. Für ihn zähle allein das städtebauliche Ergebnis, nicht die Entstehungsgeschichte des Entwurfs oder die Gewinnmaximierung des Investors. Verwunderlich wären Reibungsverluste in der Kommunikation zwischen Planungsamt und BIG allerdings nicht: Die Bewertung der Entwürfe wurde nur mündlich abgestimmt, schriftlich wurde keine Zeile gewechselt.

Warum bloß die ganze Eile? „Das ist eine politische Entscheidung“, duckt sich Ruminski weg, „da sind wir nicht Herr des Verfahrens.“ Ortsamtsleiter Robert Bücking hat seine Vermutungen, warum der Senat ausgerechnet diese städtebauliche Frage „mutig und zupackend“ entschieden habe: „Nicht aus Liebe zur guten Architektur, sondern aus Liebe zu Zechbau.“ Sonst hätte man nach dem Tchibo-Rückzug doch einfach noch einmal neu ausschreiben können: innerhalb von drei Monaten, beschränkt auf die drei potentesten Bieter der letzten Ausschreibung, aber zum gegenwärtigen, stark nach unten korrigierten Mindestpreis. Ein wenig Verständnis bringt er dennoch für den Senat auf: „Wahrscheinlich war es denen einfach zu peinlich, nach zwei gescheiterten Auschreibungen ein weiteres Mal bei denselben Leuten anzuklopfen.“

Dem Beirat blieb schließlich nichts weiter, als die freihändige Vergabe zu „bedauern“, mit den Stimmen der rot-grünen Mehrheit. Die CDU-Fraktion hingegen ist froh, „dass endlich etwas passiert“. Einstimmig nahm der Beirat indes die Forderungen an, Zechbau solle vertraglich verpflichet werden, tatsächlich innerhalb von zwei Jahren zu bauen und die versprochenen Nutzungen zu garantieren – unter Androhung einer Konventionalstrafe „in schmerzhafter Höhe“. Jan Kahlcke