philipp maußhardt über Klatsch
: Die zerbrechliche Ikone

Wen interessiert schon, ob Bush den Irak bombardiert, wenn Uschi Glas die Katastrophe ihres Lebens widerfährt

Um Uschi Glas kommen wir heute nicht herum. Doch bevor wir mit den Erörterungen beginnen, ein kurzes Plädoyer in eigener Sache: Klatsch ist etwas sehr Schönes. Tratsch hingegen etwas Furchtbares. Klatsch ist wertfreie Information. Tratsch ist billige Häme. Der echte Klatsch hat einen feinen Flüsterton, Tratsch ist laut und derb. Der Klatsch verschafft sich sein Wissen von Nachbarn, Freunden, Dienstboten. Beim Tratsch sind die Protagonisten selbst die Lieferanten. Klatsch kommt von Applaus. Tratsch von Übelkeit (16. Jh. lt. Duden). Mehr sag ich nicht.

Mein Volontärsvater Müller hat mir vor beinah zwei Jahrzehnten eingebläut, die Leser – auch die der taz – grundsätzlich für dumm zu halten und jeden Artikel immer wieder von vorne anzufangen, auch wenn alles schon an zehn Tagen davor erzählt wurde. Also, Uschi Glas ist von ihrem Ehemann Teewack (Schreibweisen sollen uns heute nicht aufhalten) durch ein fast dreißig Jahre jüngeres Fräulein ersetzt worden. Herr Seesack, den niemand vorher kannte, ist seither berühmt und Uschi Glas traurig. Deutschland stimmt ab: Recht oder Unrecht? BILD dir deine Meinung.

Um einmal auf die Gemeinsamkeit von Klatsch und Tratsch zu kommen oder wie mein Freund Dr. Franz Ringel, Jurist und Menschenkenner, sagen würde: „Es geht grundsätzlich ums Poppen.“ Weil wir ja immer noch ein wenig ahnen, dass es sich bei diesem Akt um etwas Geheimnisvolles handelt, ist jede Geschichte, die sich um das Unaussprechliche rankt, so spannend, so aufregend. Je mehr bei anderen, je weniger „Es“ im eigenen Leben eine Rolle spielt. Die Frage, ob dieses Fräulein aus München in der Vergangenheit schon mit vielen Männern und unter welchen Umständen, beschäftigt seit Tagen mehr Millionen deutscher Gedanken als die Frage, ob Präsident Bush morgen früh den Irak aus der Luft angreift. Wer behauptet, es interessiere ihn nicht, ob eine Würstl-Verkäuferin vom Marienplatz einen Seesack nachts in ihren Armen hält, der ignoriert die Stimmungslage einer halben Nation. So elitär sollte man nicht sein.

Pfarrer Kleinknecht aus Sindelfingen hat im Konfirmationsunterricht jedes Kapitel aus dem Katechismus mit immer derselben Frage abgeschlossen: „Was ist das?“ Dann mussten wir Konfirmanten antworten: „Wir sollen Gott lieben und fürchten …“ Diese Hilfskonstruktion ist mir geblieben, um komplizierte Zusammenhänge besser zu verstehen. Uschi Glas, ihr Ehemann und das Fräulein – „was ist das?“

Vor etwa einem halben Jahr kam mir zu Ohren, dass es in der Ehe von Uschi Glas nicht mehr stimmt. Man konnte es noch nicht belegen, aber die Anzeichen waren da: Sie kam oft alleine auf Partys und in ihrem sorgsam gelifteten Gesicht ließen sich winzige Sorgenfältchen ausmachen. Als sie dann auch noch unaufgefordert in einem Bunte-Interview den Satz aussprach: „Ich kämpfe um meine Ehe“, war es nur noch eine Frage der Zeit, wann es richtig knallen würde. Man war in den Redaktionen also vorbereitet und, zugegeben, auch etwas hungrig, denn Boris/Babs drohte langweilig zu werden, Beckenbauer, Bianco, Hitzfeld waren abgehakt, Christiansen schwieg beharrlich und die Wussows konnte man eigentlich nur noch unter einem psychiatrischen Aspekt behandeln.

Da kam Uschi Glas wie gerufen. Sie eignet sich wie keine Prominente als öffentlich betrogene Frau. Erstens: Jeder kennt sie. Zweitens: Sie gilt als skandalfrei. Drittens: Sie ist in ihrem neurotischen Streben, niemals zu altern, vielen Frauen ein Vorbild. Uschi Glas – die zerbrechliche Frau (auf diese Formulierung erhebe ich Titelschutz). Und vielleicht viertens: Mit ihrer Spende an Helmut Kohl hat sie sich unter den Naiven einen vorderen Rang erkauft, was bei Frauen ja eher als Pluspunkt zählt. Aus dieser Höhe nun fällt sie und liegt zerschmettert am Boden. Keine Ananasdiät konnte die Katastrophe abwenden, keine Beautycreme den Mann halten. „Lohnt es sich, mich für meinen Mann bis ins Alter schön zu machen?“ BILD dir deine Meinung!

Die Choreografie dieses Dramas ist vorgegeben und so können wir heute auch schon, ohne die weiteren Fakten abzuwarten, das Ende abzeichnen: Um den Gegensatz zwischen Ikone und Luder noch zu steigern, werden in den nächsten Tagen die ersten Nacktfotos vom Fräulein auftauchen. Mehrere Exfreunde werden berichten, dass sie einmal im Rotlichtmillieu gearbeitet habe und charakterlich nicht gefestigt ist. Weil sie aus Dresden kommt, wird man sie als „Ossi-Schlampe“ bezeichnen. Herrn Teesack tut das alles sehr Leid. Er wird tief erschüttert sein, wie man mit ihr umgeht, und sich von ihr trennen. Das Fräulein wird in Talkshows auftreten und sich in drei Monaten einem neuen Liebhaber zuwenden (Lothar Matthäus?). Uschi Glas schreibt ein Buch.

Und was ist mit Teewack? Er ist der Verlierer. Hat nicht nur Ehefrau und Geliebte verloren, sondern auch noch den Respekt einer ganzen Nation. Arme Sau. Selbstmord wäre eine altgriechische Lösung. Vermutlich aber wird er abwarten, bis der nächste „scandal public“ die Runde macht. Nur, wer wird es sein? Wer wird Uschi Glas beerben? Ich habe gehört, in der Ehe von … Jetzt ist aber Schluss.

Fragen zum Klatsch?kolumne@taz.de