die stimme der kritik
: Betr.: Jagodas Rücktritt in Zeitlupe

Von Sexmonstern und Arbeitsplatzvermittlern

Mit täglich neuen Tritten in die Bauchhöhle wird der Herr Jagoda ganz langsam zurückgetreten. Aber: Warum bloß soll der eigentlich gehen? Der ist doch schwer vermittelbar, der findet nie wieder eine Stelle. Außerdem: Was haben er und seine Unterlinge denn wirklich Unrechtes getan? Sie haben womöglich tatsächlich geglaubt, dass sie einen effizienten Job verrichten. Oder besser noch: Sie haben es gefühlt. Die gefühlte Arbeitsplatzvermittlungsquote weicht analog zur gefühlten Temperatur in Zeiten harten Gegenwindes besonders dramatisch von der Realität ab.

Wir kennen das ja auch aus anderen Zusammenhängen. Zum Beispiel beim Sex. Fragt man Männer, wie jetzt in einem streng wissenschaftlichen Fragebogen geschehen, nach ihrer realen Koitusdauer (abzüglich der Zeit für Vorspiel und Knutschung), dann reichen ihre Aussagen von „vier bis elf Minuten“ gefühlten Beischlafs, das sind 7,5 Minuten im Mittel.

Die ganze Wahrheit ist diese: Der deutsche Mann – will sagen: sein Schniedel – hat im Schnitt aber nur eine Verweildauer in der Vulva der Partnerin von 2,5 Minuten, wie eine Studie renommierter Urologen herausfand. Die Zeiten wurden von den Partnerinnen handgestoppt. Vergleicht man nun die reale Performance mit der gefühlten, ergibt das – viel Getöse um die Möse – eine Fehlerquote von 300 Prozent. Dagegen sind Jagodas Truppen doch richtig goldig! Mit anderen Worten: Die Leute vom Arbeitsamt sind auch nicht schlechter als die vielen tollen Hechte zuhause bei ihrer Liebsten in der Heia.

Zusätzliches Beweismaterial zum weit verbreiteten Realitätsverlust lieferten diese Woche aktuelle Umfragen zum Euro. Die neue Währung führt dazu, dass die gefühlte Geldausgabe dramatisch sinkt. Weil die Ziffern auf den Preisschildchen so klein geworden sind, werden die Käufer von Billiggefühlen überschwemmt. Die prozentualen Abweichungen zwischen Gefühl und Bankkonto sind zwar noch nicht exakt berechnet. Unsere Leserinnen und Leser dürfen aber sicher sein: Besonders erfolgreiche Arbeitsplatzvermittler und besonders ausdauernde Liebhaber sind auch bei der halluzinierten Schnäppchentour vor dem Karstadt-Wühltisch erheblich gefährdet.

   MANFRED KRIENER