Ein Linker stört beim Hahnenkampf

Die Grünen in Baden-Württemberg stellen am Wochenende ihre Kandidatenliste für die Bundestagswahl auf. Um die zwei sicheren Männerplätze hinter Parteichef Kuhn bewerben sich drei prominente Realos – und der Kriegsgegner Winnie Hermann

von HEIDE PLATEN

Ausgerechnet in Baden-Württemberg, im traditionell realpolitischen Musterland der Grünen, haben die Parteilinken, die Pazifisten und Friedensbewegten noch einmal zum Kampf geblasen. Nach dem Willen des Tübinger Bundestagsabgeordneten Winfried Hermann soll die Delegiertenversammlung in Ehingen an der Donau, die heute beginnt, darüber entscheiden, ob die Linken noch einen Platz in der Partei haben.

Hermann gehörte im November 2001 zu jenen vier grünen Bundestagsabgeordneten, die gegen die Entsendung deutscher Soldaten nach Afghanistan gestimmt und Bundeskanzler Schröder das Vertrauen verweigert hatten. Er hatte sich anschließend nach dem Bundesparteitag der Grünen in Rostock öffentlich gewundert, dass er, der sich eigentlich immer zur Mitte der Partei gerechnet habe, sich mit seiner Position nun auf einmal „an den linken Rand“ verbannt fühlen müsse.

Als Nagelprobe sieht Hermann nun seine Kandidatur für einen der vorderen Listenplätze für die Bundestagswahl. Dort allerdings war es auch ohne Hermann schon eng. Vor allem die prominenten Männer rangeln, seit der Bundesparteivorsitzende Fritz Kuhn überraschend seine Kandidatur für Platz 2 angemeldet hatte. Bundesfraktionsvorsitzender Rezzo Schlauch beansprucht Platz 4, Finanzexperte Oswald Metzger und der innenpolitische Sprecher Cem Özdemir wollen um Platz 6 kämpfen – allesamt bundesweit prominente Oberrealos. Winfried Hermann will bei der Abstimmung morgen zuerst gegen Schlauch antreten, dann auch gegen Metzger und Özdemir. Er begründet seinen Anspruch damit, dass es die Wahlchancen der Grünen erheblich beeinträchtigen werde, wenn Vertreter des Pazifismus völlig in die Bedeutungslosigkeit gedrängt würden. Er vertrete schließlich eine „nicht ganz unbedeutende Minderheit“ in der Partei, „die auf einem sicheren Platz repräsentiert sein muss“.

Seine Chancen stehen schlecht. Hermann musste sich inzwischen den Vorwurf gefallen lassen, er mache das Votum für ihn zur Gewissensfrage für die 200 Delegierten. Er sei nur deshalb zum Friedensapostel avanciert, weil er sich damit bessere Chancen in Ehingen ausrechne. Trotzdem könnte die Kampfkandidatur gegen Schlauch spannend werden – und zu einer Zitterpartie für Schlauch. Der Fraktionschef glänzte zwar auf dem Berliner Parkett, machte sich aber daheim unbeliebt, weil er nach Stimmenverlusten bei der Landtagswahl Kritik der Heimatpartei an der grünen Bundespolitik rüde abbügelte.

Auch Haushaltsexperte Metzger könnte Schwierigkeiten haben, sich durchzusetzen. Er war kurz vor der Listenaufstellung vom heimischen Schatzmeister als säumiger Beitragszahler geoutet worden, der mit Spendengeldern aus seinen Bezügen in der Kreide stehe. Metzger maulte zurück, schließlich seien die Abführungen in die Parteikasse freiwillig. Er denke nicht daran, sich „einen Listenplatz zu kaufen.“

Im Vorfeld kracht es seit Wochen in der Partei. Landtagsfraktionsvorsitzender Dieter Salomon lieferte sich einen erbitterten öffentlichen Briefwechsel mit dem Politischen Geschäftsführer der eigenen Bundespartei, Reinhard Bütikofer, der sich nach mehreren spektakulären Austritterklärungen altgedienter Grüner Sorgen um die Zukunft der Partei machte. Im Vollgefühl des Sieges hatte Salomon nach dem Bundesparteitag in Rostock aus seinem Herzen keine Mördergrube gemacht. Er konstatierte zufrieden das Ende der Parteilinken. Der Pazifismus habe mit dem Mehrheitsbeschluss zum Afghanistan-Einsatz der Bundeswehr eine Niederlage erlitten: „Es gibt keine Notwendigkeit mehr, Duftmarken nach ganz links außen zu setzen.“

Bütikofer warf Salomon vor, er mache damit den überlebenswichtigen Integrationskurs der Bundespartei zunichte. Seine „abfälligen Bemerkungen“ seien „brandgefährlich“. Weniger als ein Jahr vor der Bundestagswahl halte er „eine möglichst hohe Geschlossenheit“ der Partei „für ein unverzichtbares Gut“. Salomon raunzte beleidigt in Richtung Berlin zurück, er sei „nicht der Schriftführer des Ortsvereins von Kleinkleckersdorf“ und müsse sich diesen Ton nicht bieten lassen. Der Parteibasis gegenüber lenkte er inzwischen allerdings schriftlich ein: „Es tut mit Leid.“

Bei den sicheren Frauenplätzen ist die Lage im Südwesten entspannter. Platz 1 wird die Parlamentarische Staatssekretärin im Bundesentwicklungsministerium, Uschi Eid, belegen. Die Exlandtagsabgeordenete Birgitt Bender kandidiert auf Platz 3.