Zauberin und ihre Verflossenen

Barock und damit trendgemäß: Ivor Bolton dirigiert Händels Oper „Alcina“ in Hamburg  ■ Von Reinald Hanke

Es gab Zeiten, da war Hamburgs Oper führend in puncto zeitgenössischer Musik. In der Ära Rolf Liebermann gaben sich die Komponis-ten des 20. Jahrhunderts an der Dammtorstraße die Klinke in die Hand. Da wurde enorm viel für die Erneuerung des Musiktheaterrepertoires des 20. Jahrhunderts getan, wenngleich wirklich hochkarätige Werke in Hamburg auch damals selten geblieben sind.

An anderen Häusern setzte man zur gleichen Zeit andere Schwerpunkte: Man wagte die musikalische oder szenische Erneuerung des Musiktheaters durch urtextgenaue, die Vorlagen sezierende Dirigenten und kreative Regisseure, man wagte die konsequente Pflege abseitigen Repertoires – oder man wagte, wie fast überall, herzlich wenig bis gar nichts.

Zur konsequenten Pflege eines vermeintlich abseitigen Repertoires zählte nicht zuletzt das Wiederbeleben der barocken Oper von Monteverdi bis Händel. Da konnte sich so manches Haus profilieren. Man denke nur an den berühmten Monteverdi-Zyklus in Zürich mit den auch in Hamburg bekannten Künstlern Nikolaus Harnoncourt und Jean-Pierre Ponnelle. In vielen Städten entstanden Spezialensembles für die so genannte Alte Musik, die sich bis heute zunehmender Beliebtheit erfreuen.

In Hamburg ist von all diesen Entwicklungen kaum etwas zu spüren gewesen. Umso besser, dass Intendant Laurens Langevoort nun auch der barocken Oper in Hamburg einen ständigen Platz im Spielplan einräumen möchten. Zumal gerade der barocke Großmeis-ter Georg Friedrich Händel eine besondere Beziehung zum norddeutschen Raum hatte.

Den Beginn soll am kommenden Sonntag Händels Alcina machen, eines von Händels reifsten Bühnenwerken, das jedoch aufgrund der für dieses Stück notwendigen sängerischen Besetzung selten aufgeführt wird. Obwohl das Stück bei der Uraufführungim Jahr 1735 in London ein großer Erfolg war und musikalisch dem berühmteren Xerxes nicht nachsteht, ist es bis heute relativ wenig bekannt.

Die Hamburgische Staatsoper hat sich für diese Aufführung einen der renommiertesten Spezialisten an das Dirigentenpult geholt, den Engländer Ivor Bolton, dem man es offensichtlich zutraut, aus dem Hamburger Staatsorchester, dessen Stärken eigentlich in ganz anderen Bereichen liegen, in kürzester Zeit ein gutes Barockorchester zu formen. Man darf gespannt sein, wie es Bolton mit heutigen Instrumenten in der nicht unproblematischen Akustik der Hamburger Oper gelingen wird, eine lebendige und überzeugende Händel-Interpretation zu gestalten.

An der Münchner Staatsoper ist ihm das bereits mehrfach gelungen. Als Regisseur konnte Christof Loy verpflichtet werden, ein Mann, der an anderen Häusern durch seinen kreativen, dabei aber immer sehr musikalischen Umgang mit den Vorlagen bereits mehrfach aufgefallen ist. Loy und sein Bühnenbildner Herbert Murauer werden die Geschichte um Alcina, ihren Liebhaber Ruggiero und dessen Verlobte Bradamante als Hamburger Erstaufführung auf die Bühne bringen. Und man darf gespannt sein, wie dieses Team die zauberische Geschichte um die Hauptfigur Alcina mit ihren verflossenen Liebhabern, die sie allesamt in Tiere oder Pflanzen verwandelt hat, in Szene setzen wird. Überzeugende Leistungen sind auch von Veronique Gens, einer der derzeit führenden Barock-Sängerinnen, zu erwarten, die mit der Alcina-Partie in Hamburg debütiert. Solch sängerisches Kaliber ist selten geworden an der hiesigen Oper. Es dürfte also spannend werden.

Premiere: Sonntag, 24.2., 18 Uhr, Staatsoper