Telefonüberwachung seit 1999 vervierfacht

■ Datenschutzausschuss kritisiert Senat

Die Zahl der Ermittlungsverfahren mit Telefonüberwachung in Bremen steigt rasant an. Im Jahr 2001 erlaubten die Richter bereits in 67 Verfahren das Mithören – viereinhalb Mal so oft wie noch 1999. Betroffen von den Abhörmaßnahmen waren im letzten Jahr 328 Telefonanschlüsse, gab das Justizressort gestern im Datenschutzausschuss bekannt.

Ressortmitarbeiter Henning Maul-Backer betonte, dass auch anderswo häufiger gelauscht würde: „Das ist ein bundesweiter Trend.“ Im letzten Jahr nahm Bremen mit einem Zuwachs von 226 Prozent allerdings die Spitzenposition in Deutschland ein: In keinem anderen Bundesland stieg im Jahr 2000 die Zahl der Ermittlungsverfahren mit Telefonüberwachung im Vergleich zum Vorjahr prozentual mehr an als in Bremen.

Für die große Zahl an überwachten Anschlüssen macht Oberstaatsanwalt Volker Dützschold in erster Linie die überwachten Personen selbst verantwortlich: „Die wechseln inzwischen alle paar Wochen ihr Handy.“ Die Ermittler müssten daher heute wesentlich mehr Anschlüsse belauschen, um eine einzige Person zu überwachen.

Landesdatenschützer Sven Holst wies darauf hin, dass auch Telefonzellen und Telefone in Wohn- und Hausgemeinschaften abgehört würden: „Das betrifft auch völlig Unbeteiligte.“ Zwar müssten die Maßnahmen in der Regel richterlich abgesegnet werden. Aber, sagt Holst: „Der Richter kann manchmal gar nicht sehen, ob das die gleiche Wohnung oder nur das gleiche Haus ist“.

Auf Fragen nach der Effektivität der Abhörmaßnahmen verwies Maul-Backer auf eine Studie, die zurzeit an der Universität Bielefeld erstellt wird. Ein Zwischenbericht wird Anfang März vorgestellt werden. Experten zufolge zeichnet sich ab, dass die Voraussetzungen, um eine Telefonüberwachung anzuordnen, recht großzügig gehandhabt werden.

In einem Bericht übte der Datenschutzausschuss gestern auch Kritik am Bremer Senat. Dieser habe „vom Landesbeauftragten für den Datenschutz festgestellte Mängel auch nach Aufforderung durch den Ausschuss in einigen Fällen nicht in angemessener Zeit abgestellt.“ So ermögliche das Amt für Wohnungsbau und Städteförderung allen seinen MitarbeiterInnen immer noch den uneingeschränkten Zugriff auf die zum Teil sensiblen Sozialdaten aller Wohngeld-Antrag-steller. In Zukunft solle der Senat zudem dafür Sorge tragen, dass bei der Entwicklung neuer Computerprogramme für die Verwaltung die notwendigen Datenschutzkonzepte gleich mit erstellt werden – und nicht erst im Nachhinein. hoi