Die Herrscherin der Ringe

Architektur als Fingerzier: Die Schmuckgestalterin Silvia Schneider überträgt Formgesetze aus anderen Disziplinen auf die Fertigung ihrer „Schmuckobjekte“. Ein Besuch im Atelier der Künstlerin und Designerin in den Heckmannhöfen

Mit Skulpturen und Installationen fing sie an. Erst in Berlin wurde Schmuck ihr Beruf

Noch ist Silvia Schneiders neues Atelier in der Linienstraße nach außen unauffällig. Kein Schild, kein Hinweis, nur das Milchglas in den Fenstern der Erdgeschosswohnung. Wer hineinsehen könnte, dessen Blick fiele direkt auf den Arbeitstisch: den Tisch mit den Werkzeugen, dem Ringgrößenmesser, den Gießabdrücken und vor allem den blauen Wachsmodellen, die überall herumstehen wie kleine Skulpturen.

„Ich baue Schmuck“, sagt Silvia Schneider und benennt damit zugleich eines ihrer Konstruktionsprinzipien: Formgesetze aus anderen Disziplinen auf das Schmuckmachen zu übertragen. Ihre aktuelle „Serie“ von Ringen etwa ist sehr architektonisch. Die Idee zu einem Modell stammt von einem Glasbau in Paris: „Im Glasbau definiert sich das Gebäude nicht mehr über den Bau, sondern über die Verschattung, etwa durch Vorhänge.“ Weil die Wände nicht sichtbar sind, entsteht die Kontur des Baus durch das, was Schatten werfen kann. Silvia Schneider hat diese „bewegten, mehr geöffneten Wände“ auf den Schmuck übertragen. Ähnlich wie im Glasbau die Vorhänge an die Stelle der starren Wände treten, hat sie deren Bewegung übernommen und die geraden, geometrischen „Wände“ des Vorläufermodells aufgegeben, die vorher den Finger behaust hatten. Später hat sich daraus die „Faltung“ entwickelt, wie beim Modell „Waved walls“, das fragil ist und fast floral wirkt, wie ein Ring aus einander sich berührenden Blütenblättern.

Bewegung interessiert die Schmuckmacherin, ein Fluss, der nicht unterbrochen ist. So wie beim „Liquido“, den die zierliche 36-Jährige selbst trägt und der sich wie eine stillgestellte Bewegung um zwei Finger schlingt. Oder so wie beim Gebäude der DG Bank des Architekten Frank O. Gehry am Pariser Platz, dessen Dach sich aus einer fischmaulgleichen Wölbung entwickelt: „Diese Bewegung des Dachs hat mich begeistert, so eine ganz einfache Geschichte.“ Und gleich danach ist sie ins Atelier gefahren, und entstanden ist der „Frank Ring“: „Schließlich habe ich das ja direkt bei ihm geklaut.“

Silvia Schneider nennt ihre Ringe „Schmuckobjekte“, und Objekte sind es in der Tat, die zu Ringen werden können, aber nicht müssen. Auch ihre Methode erinnert an Skulptur: Sie arbeitet mit Wachsmodellen, die geschnitzt werden und dann in Silber gegossen, setzt Steine wie Bernstein ebenso ein wie Acryl mit Glasstaub. Wird das Objekt dann zum Ring, soll der sich beim Tragen gut anfühlen: „Wenn sie richtig gut passen, dann merkt man sie nicht mehr.“

Meist werden die Ringe deshalb angepasst, wie etwa die Eheringe, die die Schmuckmacherin entworfen hat. Diese sind einzeln oder zusammen tragbar, ergeben dabei ein neues Ganzes, ineinandergeschlungen oder aufeinandergesetzt. Oft kommen auch Auftragsarbeiten, für die sie einen Stein bekommt und eine ungefähre Vorstellung der KundInnen. Oder einfach den Auftrag: Mach etwas für mich. Mitunter hat sie als Grundlage nur ein Foto. Selbst das hat bisher immer funktioniert.

Seit Silvia Schneider 1991 nach Berlin gekommen ist, macht sie ausschließlich Schmuck. Vorher, in München, hat sie darüber hinaus bildhauerisch gearbeitet und Installationen gemacht. Nach zehn Jahren gilt ihr Berlin noch immer als guter Ort, wenn das Dasein in der kreativen Enklave inklusive günstiger Lebenshaltung auch Tücken hat. Sie lacht: „Disziplin ist nicht unsere Stärke“. „Wir“, sagt Silvia Schneider oft und meint damit ein Netzwerk von künstlerisch arbeitenden, gleichzeitig handwerklich sehr anspruchsvollen DesignerInnen. Sie alle wollen von ihren Arbeiten leben, ohne kommerziell zu werden. Und das mag zwar auch eine Frage von Disziplin sein. Mehr noch aber scheint es eine danach, was diese „Freiräume“ eigentlich ausmacht und wie man in ihnen leben will. „Man will seinen Geist nicht verlieren“, so nennt es Silvia Schneider.

Gegen die Massenproduktion steht auch der Gedanke handwerklicher Perfektion, obgleich die Schmuckmacherin dabei lächeln muss und ihn einen „Luxusgedanken“ nennt: „Ich will schon den letzten Schliff machen.“ Auch der Kontakt zu den KundInnen ist wichtig, zu sehen, wie die Ringe getragen werden. „Wahrscheinlich muss man in die größere Produktion hineinwachsen“, sagt sie. Mit dem neuen Atelier will Silvia Schneider nicht zuletzt „sichtbar werden“, die Räume für Ausstellungen nutzen. Bisher sind sind Ringe bei „Nix“ in den Heckmannhöfen zu sehen. Einer fasst einen roten Kieselstein, ein Fundstück aus Dänemark. Er gehört in die Serie „Dänische Möbel 1, 2, 3“. Und dann ist da der Schalk in den Augen: „So was mache ich auch manchmal zwischendurch. Ein bisschen Spaß haben.“

KATRIN KRUSE

Atelier Silvia Schneider, Linienstraße 161, Mitte. Tel.: 2 82 90 18. Termine nach Vereinbarung