schnittplatz
: Handkes Handeln

Die mediale Bewirtschaftung des raren Gutes Aufmerksamkeit ist also ungleich verteilt. Manche schreien sich die Seele aus dem Leib – und es guckt immer wieder kein Schwein. Manche sagen noch gar nichts – und alle Welt findet’s spannend. So jetzt im Fall des Schriftstellers Peter Handke.

Ob es eine gute Idee war, ausgerechnet diesen Autor als Prozessbeobachter nach Den Haag zu schicken, wo gegen Slobodan Milošević verhandelt wird, müssen die Magazinredakteure der Süddeutschen Zeitung mit ihrem journalistischen Gewissen ausmachen. Sie haben ihn „entsandt“ (so die SZ gestern), obwohl ihnen klar sein muss, dass Handke in dieser Sache für eine alles andere als unparteiische Berichterstattung steht; in der zweiten Hälfte der Neunzigerjahre hat er sich in Essays und Gesprächen auf die Seite Serbiens geschlagen.

Keine gute Idee der jungen Welt war es jedenfalls, ein Interview mit Peter Handke zu fälschen und zu veröffentlichen. Das sieht die kleine, linke Tageszeitung inzwischen auch selbst so; in der gestrigen Ausgabe entschuldigt sie sich: „Das Interview“, so steht da zu lesen, „fand nicht statt.“ Aus der Internetausgabe ist der Text zurückgezogen. Mehr kann man öffentlich nachträglich nicht mehr tun, wenn man einen schweren journalistischen Fehler zu verantworten hat.

Nur sind die vermeintlichen Äußerungen jetzt in der Welt. Sie fallen Milošević gegenüber, um das Mindeste zu sagen, unkritisch aus. Es wird bereits darüber spekuliert, dass dies dem Streitfall „Handke und Serbien“ neue Nahrung geben wird. Und dem muss man vehement widersprechen – selbst wenn man, wie unsereiner, Handkes veröffentlichte Haltung Serbien gegenüber insgesamt für unhaltbar und in manchen Aspekten für unsäglich hält.

Wenn Peter Handke nun erneut das Wort ergreift, dann wird man selbstverständlich genau durchleuchten wollen, was er sagt. Aber erst dann. Bisher allerdings hat Handke öffentlich noch nichts gesagt. Der Black-out der jungen Welt ist nicht mehr als das, was er ist: das Versagen einer Redaktion, die gehofft haben mag, einen prominenten Fürsprecher der eigenen Tendenz gefunden zu haben. Wie Handke wirklich inzwischen die Dinge sieht, bleibt abzuwarten. DIRK KNIPPHALS