Protest gegen hohe Preise und Armut

Unruhen in Bulgarien wegen Stromsperrungen. Armut nimmt zu: Resultat der Währungsbindung an den Euro

BERLIN taz ■ Zu schweren Unruhen kam es diese Woche in Plowdiw, der zweitgrößten Stadt Bulgariens. Tausende zogen von der Unterstadt, dem Armenviertel Stolipinowo, in die Oberstadt, plünderten Lebensmittelgeschäfte, warfen Fensterscheiben ein und stürzten Fahrzeuge um. „Strom für alle“, skandierte die Menge, „Heizung für alle“. Erst am Donnerstag kehrte in der Stadt mit ihren rund 400.000 Einwohnern wieder Normalität ein, als zwischen Stadtverwaltung und Gemeindevertretern in der strittigen Stromfrage ein Kompromiss erzielt wurde.

Allen Häusern des Armenviertels, in dem etwa 35.000 Menschen unter teils unwürdigen Verhältnissen wohnen, war zu Wochenbeginn der Strom komplett abgeschaltet worden. Mit dieser drastischen Maßnahme glaubte die Stadt den Druck auf die Bewohner von Stolipinowo erhöhen zu können, endlich ihre offenen Stromrechnungen zu begleichen. Denn über 80 Prozent der Haushalte haben seit Monaten keine einzige Stromrechnung mehr bezahlt. Mit Hilfe eines internationalen Hilfsfonds soll nun zumindest ein Teil der ausstehenden Rechungen bezahlt werden.

Die Landeswährung Lewa ist seit Jahren – auf Empfehlung des Internationalen Währungsfonds – an die Deutsche Mark und nun an den Euro gekoppelt, um auf diese Weise Währungsstabilität und eine niedrige Inflationsrate zu garantieren. Mit einer Hochzinspolitik und günstigen Staatsanleihen versucht die Regierung außerdem, ausländisches Kapital ins Land zu locken, um damit die Wirtschaft zu beleben. Doch dem gegenüber stehen marode Staatsbetriebe, hohe Auslandsschulden, steigende Arbeitslosigkeit und unerschwingliche Preise. Fast die Hälfte der Bulgaren lebt heute unter der Armutsgrenze und spart, wo sie noch sparen kann: an den Überweisungen für Miete, Telefon, Strom und Gas. ROLAND HOFWILER