Genua-Opfer angenehm überrascht

Italienische Staatsanwälte vermitteln bei ihrem Besuch in Berlin den Eindruck, dass sie sich ernsthaft um Aufklärung der Polizeigewalt beim G-8-Gipfel in Genua bemühen. Politische Stimmung in Italien erschwert allerdings die Ermittlungen

aus Berlin PLUTONIA PLARRE
und FELIX LEE

Am Ende der Woche fingen selbst die größten Skeptiker unter den Globalisierungskritikern an, Vertrauen zu fassen. Denn die italienischen Staatsanwälte Franceso Pinto und Henrico Succa scheinen wirklich an einer Aufklärung des Polizeiübergriffe beim G-8-Gipfel interessiert zu sein. Fünf Tage lang führten Pinto und Succa in Berlin Vernehmungen durch, um Licht in das Dunkel der Vorkommnisse von Genua vom Juli 2001 zu bekommen. Konkret geht es dabei um den Polizeiüberfall auf die Diaz-Schule, in der 93 schlafende Globalisierungskritiker – hauptsächlich Spanier und Deutsche – von vermummten Carabinieri mit Stahltaschenlampen, Holzknüppeln und Fäusten zusammengeschlagen worden waren.

Die ersten 10 der 40 betroffenen Deutschen wurden mit Hilfe des Berliner Oberstaatsanwalts Hans-Jürgen Heinke in dieser Woche vernommen.

Und dabei nahmen sich die Staatsanwälte viel Zeit. Sieben Stunden dauerten die Vernehmungen im Schnitt. Und gut vorbereitet waren sie auch: Neben Videoaufnahmen und hunderten von Fotos hatten die beiden Staatsanwälte auch Uniformen im Gepäck. Damit ließen sich zumindest die Einheiten ermitteln, die in der Diaz-Schule im Einsatz waren, da in Italien jede Einheit eine eigene Uniform trägt. Am Ende der Vernehmungen sei den Befragten gesagt worden, ihre Aussagen würden sich weitgehend mit den bisherigen Recherchen der Justiz decken.

Unter der Hand wurde den Berlinern zugleich aber angedeutet, dass die politische Stimmung in Italien die Ermittlungen gerade sehr erschwere. So habe es die Gewerkschaft der Polizei verhindern können, dass die Polizisten erkennungsdienstlich behandelt wurden. Auch das italienische Innenministerium mache öffentlich Stimmung gegen die Ermittlungen. Sie wünschten sich mehr öffentliche Unterstützung vor allem von deutscher Seite, habe einer der Staatsanwälte einem Betroffenen gesagt. Der Presse gegenüber lobte Pinto die Zusammenarbeit mit den deutschen Behörden. In der ersten Märzwoche sollen die Befragungen fortgesetzt werden.

Sie seien „sehr zufrieden“ über die „sehr genauen und präzisen Informationen“ und optimistisch, dass die Ermittlungen gegen die Täter in den Reihen der Polizei dadurch vorangebracht werden könnten, sagten die italienischen Staatsanwälte. Laut Pinto und Succa sind derzeit Verfahren gegen rund 20 Polizeiführungskräfte und 50 Carabinieri anhängig.

Dass die italienische Staatsanwaltschaft aber auch weiter gegen Demonstranten ermittelt, zeigen Hausdurchsuchungen, die vor drei Tagen in mehreren Städten Italiens stattfanden, die nach offiziellen Angaben auch im Zusammenhang mit den Vorfällen in der Diaz-Schule stehen. Die Staatsanwälte gaben zu, dass die Justiz in mehrere Richtungen ermittele. Ihnen gehe es aber vor allem darum, die Verantwortlichen für die Polizeigewalt zur Rechenschaft zu ziehen.