Kreidekreise der Freiheit

■ Machtkampf zweier ebenbürtiger Frauen: Ute Rauwald inszeniert Schillers „Maria Stuart“ im Schauspielhaus-Malersaal

Ein kostbarer Kronleuchter hängt über Maria Stuarts Kerker. Er funkelt, doch der Glanz trügt. Das Licht kommt von außen, er selbst hat nicht einmal Kerzen. So, wie die schottische Königin auch gar keine Krone mehr besitzt. Aus ihrem Reich musste die Katholikin fliehen, in England ist sie von ihrer protestantischen Rivalin Königin Elizabeth eingekerkert worden.

Christiane von Poelnitz ist in Ute Rauwalds glänzender Schiller-Inszenierung, die jetzt im Malersaal des Schauspielhauses Premiere hatte, eine fast verhärmte Maria Stuart. Wie ein gefangenes Tier streift sie in ihrem Kerker herum, wiegt sich autistisch zwischen unsichtbaren Mauern. Mit sparsamen Mitteln lässt Ute Rauwald die demütigende Situation der Regentin ohne Reich spürbar werden.

Dass die Rivalin Elizabeth (Caroline Peters) genauso wenig frei regieren kann, wird ebenso klar. Über ihrem Herrschaftsbereich schwebt auch eine Art Kronleuchter – aus Holz: ein riesiges Objekt, das ebenfalls von außen angestrahlt werden muss. Zwei Frauen im erbitterten Machtkampf.

Vordergründig geht es um die Herrschaft der englischen Krone, doch nach vielen Jahren der Rivalität, das macht Rauwald deutlich, sehnen sich Maria Stuart und Elizabeth nur noch nach ihrer Freiheit. Darin, dass beide sie nicht bekommen, selbst wenn eine von ihnen stirbt, liegt die Tragik von Schillers Stück. Ute Rauwald leuchtet die unheilvolle Verstrickung der beiden Frauen präzise und schlüssig aus. Sie greift dafür in keine Tricckisten, sondern lässt Raum für Schillers Sprache und nimmt sich Zeit für die Zuspitzung der Konfrontation.

Ein Glanzpunkt ist es, wenn Maria durch die Vermittlung ihres fanatischen Anhängers Mortimer (Marek Harloff) und des wankelmütigen Graf von Leicester (Philipp Hochmair) kurzzeitig ihren Kerker verlassen darf. Auf Knien liegend, erweitert sie sukzessive durch Kreidestriche den Radius ihrer imaginären Mauern. Ihre Freude, wieder frei zu sein, füllt den gesamten Theatersaal. Doch die Euphorie währt kurz. Als Maria nach Jahren vergeblichen Bittens endlich auf die Rivalin trifft, begegnet Elizabeth ihr mit Eiseskälte. Einer Kälte, die nur die Hälfte der Zuschauer sehen kann. Das Publikum, verteilt auf zwei gegenüberliegende Tribünen, sieht in dieser Szene nur das Gesicht jeweils einer Kontrahentin. Eine trügerische Ironie, denn eigentlich beleuchtet diese Inszenierung das genaue Gegenteil: die Gefühle und Motive zweier ebenbürtiger Frauen. Karin Liebe

nächste Vorstellungen: 2. und 3.3 ., 20 Uhr, Malersaal