Von Shinty zum Ski

Der Schotte Alain Baxter gewinnt überraschend Bronze im Slalom hinter zwei Franzosen und ergattert die erste alpine Skimedaille für sein Hochland

aus Deer Valley MATTI LIESKE

Es gibt einen Sketch von Monty Python’s Flying Circus, in dem Außeriridische Wimbledon gewinnen wollen und zu diesem Zweck alle Engländer in Schotten verwandeln, weil diese die schlechtesten Tennisspieler der Welt seien. Ein ähnlicher Sketch mit schottischen Skifahrern wäre nicht mal der britischen Komikertruppe eingefallen. Viel zu weit hergeholt!

Seit Samstag nicht mehr. Nachdem bei den innovativsten aller Olympischen Winterspiele bereits Australier, eine Afroamerikanerin und ein US-Bürger mexikanischer Abstammung Gold gewannen, geschah nun das Undenkbare: Schottland holte eine Medaille im alpinen Skifahren. Alain Baxter aus Aviemore, der als Kind in den Cairngorm-Mountains, die sich bis zu 1.500 Meter in den Highlands erheben, das Wedeln lernte, gewann Bronze im Slalom hinter den Franzosen Jean-Pierre Vidal und Sebastien Amiez. Das Schottentum Baxters, dessen Lieblingssport das gälische Shinty ist („eine Art Rasenhockey, nur fast ohne Regeln“), wurde bereits von seiner Haartracht signalisiert, in der sich schwach die Reste eines Kreuzes abzeichneten. Ursprünglich hatte dort in voller Farbenpracht die schottische Flagge geprangt. Weil diese Art nationalistischer Coiffure aber als politische Äußerung gewertet wurde, bekam er sie vom IOC verboten. „Ich starte hier für GB, das ist eine andere Fahne, deshalb musste das da weg“, so Baxters ironischer Kommentar.

Der Durchbruch des 28-Jährigen kam in der letzten Saison, nachdem er 1996 noch mit dem Gedanken gespielt hatte, einen ihm angebotenen Profivertrag im Eishockey anzunehmen. „Damals war ich im Slalom ungefähr auf Rang 300 abgerutscht und dachte, ich tauge einfach nichts. Aber dann wurden ein paar österreichische Trainer geholt.“ Danach ging es aufwärts und letzte Saison landete „The Highlander“, so sein Spitzname, im Slalom viermal unter den ersten Zehn, in der Weltcupwertung verbesserte er sich auf Rang 11.

Ganz unerwartet kam der olympische Vorstoß Baxters also nicht, dennoch bedurfte es zur Vollbringung des Schottenwunders eines ziemlich turbulenten Rennens. Nach dem ersten Lauf hatte er nur auf Rang acht gelegen, Silbermedaillengewinner Amiez war sogar bloß Neunter. „Mit über zwei Sekunden Rückstand dachte ich, ich hätte es versaut“, erzählte der Baxter später. „Ich war im Zelt und habe mir die Schuhe ausgezogen.“ So verpasste er einen Slalom, der eher einem Finale im Short Track ähnelte: Wer auf den Beinen blieb, hatte gute Chancen auf eine Medaille. Die Piste war wegen des Wärmeeinbruchs nicht so griffig wie vorher und der amerikanische Coach hatte einen teuflischen Kurs gesteckt, dem Läufer um Läufer zum Opfer fiel.

Die anspruchsvolle Streckenführung sollte eigentlich dem besten Slalomfahrer im Feld nützen, Bode Miller aus den USA, vorher schon Silbermedaillengewinner in Kombination und Riesenslalom. Vom Österreicher Hermann Maier zum „Rodeoreiter“ des Skizirkus ernannt, fegt Miller doch so verwegen wie einst Alberto Tomba durch die Stangen. Was ihm lange fehlte, war die Fähigkeit, zwei vollständige Läufe ins Tal zu bringen. In dieser Saison gelang ihm dies jedoch immer besser, der Lohn waren drei Weltcupsiege im Slalom und einer im Riesenslalom. „Wenn ich runterkomme, gewinne ich auch“, sagte der 24-Jährige vor Olympia selbstbewusst über seine Spezialstrecke. In den beiden anderen olympischen Rennen war er stets im letzten Lauf von weit hinten in die Spitzenränge gefahren, diesmal lag er schon nach dem ersten auf Rang zwei. „Ich wusste“, sagte der vor ihm liegende Jean-Pierre Vidal, „wenn er ins Ziel kommt, muss ich ein Wahnsinnsrennen fahren, um ihn zu schlagen.“

Doch Miller, der in New Hampshire als Kind eines Hippiepaares in einer abgelegenen Hütte ohne Strom und fließend Wasser aufgewachsen ist, fiel in seinen alten Fehler zurück und ging zu ungestüm in den vertrackten Kurs. Schon nach wenigen Toren war er an einem vorbeigesaust und der Traum von der dritten Medaille geplatzt. Der Entsetzensschrei des Publikums war vermutlich bis Salt Lake City zu hören. Um die Leute nicht gänzlich zu enttäuschen, stapfte er, eine seit rund 30 Jahren vergessene Sitte aufwärmend, zurück zum verpassten Tor, fuhr das Rennen zu Ende und wurde 25. Für Vidal hieß nach dem Ausscheiden Millers die Devise: „Bloß noch ins Ziel kommen.“ Das gelang ihm souverän.

Bode Miller bereute nichts. „Beim Slalom gibt es keine halben Sachen“, sagte er, „wenn man Zeit gewinnen will, muss man angreifen, und das war der Plan.“ Sein Ziel sei gewesen: „Gold oder gar nichts“, erzählte er mit einem Grinsen und fügte lässig hinzu: „Tja, Leute, so ist Slalom.“