Eine Bewegung tut Not

Ein Investment der anderen Art: Am 2. März wird die „Bewegungsstiftung“ gegründet. Wir sprachen mit Geschäftsführer Jörg Rohwedder sowie dem Mitinitiator und Gründungsstifter Christoph Bautz

taz: „Mit Geld die Welt verändern“ – so lautet Ihr Motto. Was genau tun Sie?

Jörg Rohwedder: Wir haben bei unseren politischen Aktivitäten immer wieder festgestellt, dass soziale Bewegungen vor allem unter Finanzierungsproblemen für ihre Kampagnen leiden. Andererseits sind viele Leute, die in den letzten 20 Jahren in sozialen Bewegungen aktiv waren, zu Vermögen gekommen, zum Beispiel durch eine Erbschaft. Immer mehr Menschen wollen Teile dieses Geldes für den politischen Wandel zur Verfügung stellen. Die Stiftung fungiert hier als Vermittlerin.

Christoph Bautz: Politiker handeln doch nur durch Druck von unten. Jüngstes Beispiel: die globalisierungskritische Debatte. Da musste die Diskussion durch die Bewegung völlig neu angeschoben werden. Jetzt muss weiter Druck gemacht werden, dass Worten auch Taten folgen. Doch ohne eine erste Startfinanzierung scheitern solche Bewegungen oft im Keim.

Die Stiftung ist also kein Sammelbecken für Leute, die nicht wissen, wohin mit ihrem Geld?

Rohwedder: Im Gegenteil, sie ist für Leute, die sehr genau wissen, wohin mit ihrem Geld. Sie wollen damit grundlegende politische Veränderungen initiieren.

Wer soll „investieren“?

Bautz: Vor allem Leute aus sozialen Bewegungen, die vielleicht nicht mehr aktiv sind, aber ihre früheren Ziele weiterhin unterstützen wollen. Soziale Bewegungen erleben gerade in den letzten Jahren eine Renaissance, zum Beispiel die Anti-Atom-Bewegung und auch die Friedensbewegung, die sich gegen die amerikanischen Militärschläge wendet. Soziale Bewegungen sind aktueller denn je.

Rohwedder: Wir sprechen auch diejenigen an, die über kleine Vermögen verfügen. So hat eine Gruppe in Whyl aus 20 Jahren Basisarbeit 20.000 Euro angesammelt und überlegt, ob sie das Geld der Stiftung gibt.

Was muss man investieren, um an der Stiftung teilzuhaben?

Rohwedder: Wir freuen uns über jede Spende. Eine Zustiftung ist ab 5.000 Euro möglich, die auch über zehn Jahre in Raten eingezahlt werden kann.

Was muss ich tun, wenn ich Geld von Ihnen will?

Rohwedder: Einen formlosen Antrag stellen. Darüber entscheidet dann der Stiftungsrat, für den bekannte Personen aus sozialen Bewegungen wie Horst-Eberhardt Richter, Jochen Stay und Gisela Notz nominiert sind. Er wird dreimal im Jahr zusammentreten, erstmals zu seiner Gründung am nächsten Samstag. Wichtig ist uns, dass sich langfristige Kampagnen bewerben, die in aktuelle politische Prozesse verändernd eingreifen.

Der Begriff „soziale Bewegung“ klingt etwas diffus. Auch Nazis könnten in ihren Kreisen „soziale Projekte“ initiieren.

Bautz: Die bekommen natürlich kein Geld. Wir wollen Gruppen fördern, die gewaltfreie, sozial und ökologisch gerechte Wertvorstellungen vertreten. Das umfasst das Thema Globalisierung, aber auch Aktionen im Rahmen drohender Militärschläge gegen den Irak.

Woher weiß der Kapitalgeber, dass er nicht doch etwas gegen seine Überzeugung finanziert? Wenn Sie beispielsweise eine Demo unterstützen, die zur Straßenschlacht eskaliert?

Rohwedder: Alle Zustifter und die Aktiven aus den geförderten Projekten treffen sich jährlich zu einer Strategiewerkstatt. Hier besteht die Möglichkeit – falls es wirklich mal zu einem solchen Szenario kommen sollte –, dies zu analysieren, um es künftig zu verhindern.

Bautz: Stifter können auch bestimmen, wohin das Geld gehen soll. Es gibt also drei Sicherungshürden: Stifterwille, Strategiewerkstatt und Stiftungsrat.

Erhält der Stifter Rendite?

Rohwedder: Nein, aber er kann alle Steuervorteile des Stiftungsrechts wahrnehmen.

Wie legen Sie das Geld an?

Bautz: Wir legen im ethisch-ökologischen Bereich an. Wir wollen aber nicht nur in erneuerbare Energien investieren. Wir legen auch in Alternativprojekten an, die politisch weit mehr verändern. Da, wo herkömmliche Investoren nicht hinschauen, weil die Renditen gering sind, beispielsweise beim Ökologischen Zentrum Verden.

Rohwedder: Das kann aber nur ein Teil sein, denn wir brauchen ja Renditen, damit wir Geld ausschütten können. Deshalb gibt es ein breites Portfolio.

Wie hoch ist Ihr Vermögen?

Rohwedder: Rund 270.000 Euro. Zehn Personen haben schon eine Zustiftung zugesagt, 30 weitere denken darüber nach.

Der Stiftungsverein ist als „mildtätig“ anerkannt – was heißt das?

Rohwedder: Wir können auch aktive Bewegungsarbeiter mit einer Zuwendung unterstützen; einer Art „Stipendium“ als Hilfe zum Lebensunterhalt. Wer dafür spendet, kann einen höheren Steuerabzug geltend machen.

Auf den Punkt gebracht: Letztlich unterminiert die Stiftung legal den Staat. Sie sammeln Zuwendungen und fördern Projekte, die dem Gesetzgeber in den Arm fallen. Ein Castor-Blockierer könnte ein „Stipendium“ bekommen, um seine Tätigkeit fortzusetzen.

Bautz: Das würde ich so nicht sehen. Die meisten politischen Veränderungen der letzten 150 Jahre wurden durch soziale Bewegungen initiiert. Ohne Arbeiterbewegung kein Sozialstaat, ohne Frauenbewegung keine Gleichstellung zumindest auf dem Papier, ohne Bürgerrechtsbewegung keine Aufhebung der Rassendiskriminierung. Lebendige Demokratien leben doch gerade davon, dass Menschen immer wieder politische Alternativen einfordern. Vielleicht werden wir auch irgendwann den friedliche Protest von Seattle und Genua als Wendepunkte zu einer sozial und ökologisch gerechteren Gesellschaft sehen.

Rohwedder: Selbst wenn wir es wollten, ließe sich das Gesetz durch uns nicht unterminieren. Würden wir ein Projekt zivilen Ungehorsams direkt fördern, stünde unsere Gemeinnützigkeit auf dem Spiel. Wir müssen darauf achten, dass wir zwar mutige Aktionen fördern, damit sich etwas ändert. Aber wir müssen das Gesetz wahren. Auf diesem Grad balancieren wir.

INTERVIEW: ANDREAS LOHSE

Die Bewegungsstiftung wird am Samstag, 2. März, im Haus der Demokratie in Berlin gegründet. Am 3. März wird es eine Strategiewerkstatt geben. Info: Die Bewegungsstiftung, Artilleriestr. 6, 27283 Verden, Tel. (0 42 31) 9 57-5 40, Fax -5 41, www.bewegungsstiftung.de