Kampftruppe ohne Kontrolle

Scharping bestätigt: Bundeswehr-Elitetruppe sucht in Afghanistan nach Al-Qaida-Kämpfern. Abgeordnete beklagen fehlende Informationen und lehnen Auslieferung von Gefangenen an USA ab

BERLIN taz ■ Alle haben es vermutet, nun ist es offiziell: Die Bundeswehr befindet sich schon seit mehreren Wochen im Kampfeinsatz in Afghanistan. Verteidigungsminister Rudolf Scharping (SPD) bestätigte gestern, dass rund hundert Elitesoldaten des Kommandos Spezialkräfte (KSK) in Afghanistan an Aktionen gegen die Terrororganisation al-Qaida beteiligt sind. Im Bundestag regt sich über die späte Informationspolitik der Regierung Unmut.

Die KSK-Soldaten würden gemeinsam mit Soldaten der Verbündeten eingesetzt, sagte Scharping gestern. Der Einsatz des Kommandos sei „eindeutig“ durch das Mandat des Bundestages vom 16. November vergangenen Jahres gedeckt. Damals hatte das Parlament nicht nur der Beteiligung der Bundeswehr an der Kabuler Friedenstruppe zugestimmt, sondern auch der Entsendung von bis zu einhundert „Spezialkräften“. Schon im Dezember war vermutet worden, die Truppe operiere bereits in Afghanistan. Doch das Verteidigungsministerium wollte bis gestern dazu keinerlei Kommentar abgeben.

Genauere Angaben über Art und Umfang des Einsatzes lehnte Scharping auch gestern unter Hinweis auf die Sicherheit der Soldaten ab. Das Parlament und der Verteidigungsausschuss würden aber „auf dem dafür vorgesehenen Weg laufend unterrichtet“.

Der Ausschuss teilte diese Darstellung jedoch nicht unbedingt. Es gebe zwar durchaus schützenswerte Daten über den Einsatz, so Verteidigungsausschussmitglied Paul Breuer (CDU) zur taz. Aber „die Informationspolitik ist in dieser Art nicht in Ordnung“. Es sei nicht nachvollziehbar, dass die Regierung die Öffentlichkeit über die Tatsache des KSK-Einsatzes nicht rechtzeitig informiert habe. „Der Grund ist ganz einfach: Die Regierung ist sich ihrer eigenen Mehrheit in dieser Frage nicht sicher“, meint Breuer.

Auch der Verteidigungsexperte der Grünen, Winfried Nachtwei, bezeichnete die bisherige Politik des Verteidigungsministeriums als „überzogene Geheimniskrämerei“. Nachtwei und Breuer wollen vor allem wissen, wie mit möglichen Gefangenen umgegangen werden soll. Nachtwei forderte, diese dürften „nicht an eine Macht ausgeliefert werden, unter der ihnen die Todesstrafe droht“. Er bezog sich damit auf die USA.

Seine Fraktionskollegin Angelika Beer äußerte Verständnis für die Geheimhaltungsvorschriften. „Die wesentlichen Stellen waren informiert“, sagte sie der taz. Allerdings stellte sie die Frage, ob nicht ein kleineres Gremium, das geheim tagen könne, genauer über solche Einsätze informiert werden sollte. „Wenn über die Abschaffung des Parlamentsvorbehalts bei Auslandseinsätzen der Bundeswehr nachgedacht wird, dann ist ein solches Kontrollgremium unverzichtbar“, sagte Beer. HEIDE OESTREICH

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