Tuckern ist strafbar

■ Ostfrieslands Attacke auf Langsamfahrer

Der im ostfriesischen Upgant-Schott beheimatete ehemalige Postbote Hermann Janssen (76) versteht die Welt nicht mehr. Der Landkreis Aurich hat ihn schriftlich aufgefordert, seinen zehn Jahre alten „Fiat L 1.000“ künftig nicht mehr im gegenwärtigen Zustand auf den Straßen des Kreises zu bewegen. Jede Fahrt mit dem Vehikel sei rechtswidrig, schreibt die Behörde.

Janssen soll seine auf eine Höchstgeschwindigkeit von 25 Kilometer pro Stunde gedrosselte Version des Serien-Kleinautos wieder auf die ursprüngliche Potenz an PS und Geschwindigkeit zurück bauen lassen, fordert der Kreis. Die nachträgliche Tempo-Kastration sei unzulässig. Erlaubt seien nach der Straßenverkehrszulassungsordnung (StVZO) nur Autos, die von vornherein nur für eine bestimmte Höchstgeschwindigkeit konstruiert und gebaut wurden.

Für Janssen und 29 Mitleidende im Landkreis hat die Anordnung sehr praktische Folgen: Was auch immer er tut – er darf sein Auto mit seinem Führerschein Klasse 5 nicht mehr fahren. Fährt er es mit der nachträglich eingebauten Geschwindigkeits-Bremse, begeht er eine Ordnungswidrigkeit. Fährt er es nach dem verlangten Rückbau, macht er sich strafbar nach den Führerschein-Gesetzen. Jeder Polizist, der Janssen mit seinem 25-km/h-Töff-Töff dann anhält, muss ihn wegen Fahrens ohne Führerschein anzeigen, sagt der Pressesprecher des Kreises Aurich, Manfred Galka.

Zwar sei der Landkreis der erste, der „aus einer anderen Lesart“ der StVZO Konsequenzen ziehe, sagt Galka. Bisher habe es allerdings eine „flächendeckende Fehlbeurteilung“ der Verordnung gegeben. Auch das Zulassungsamt des Kreises Aurich habe „die unzulässigen Veränderungen an den Autos zugelassen“. Die Fahrer der „25-km/h-Schildkröten“ seien aus heutiger Sicht allerdings von Anbeginn an im rechtswidrigen Bereich unterwegs gewesen.

Für das zuständige Verkehrsministerium in Hannover stützt Sprecher Marco Althaus die Praxis des Landkreises Aurich. „Niemand mit den alten Führerscheinklassen 4 und 5 darf ein Fahrzeug fahren, das bauartbedingt schneller ist als 25 km/h“, sagt Althaus.

Für Janssen ergibt das alles keinen rechtsstaatlichen Sinn. Wenn er sein Auto „zurückbauen“ lasse, koste das Geld. Fahren dürfe er das Auto dann nicht mehr. Einen Käufer für das gesetzestreue Vierrad werde er jedoch kaum noch finden. Manfred Protze, dpa