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: Helmut Höge über die Gewalt

Im Leben und im neuesten Werk von Imma Harms

Die Kunststiftung der altösterreichischen Versicherungsgesellschaft Generali lässt sich immer mal wieder Überraschungen einfallen. Früher einmal gab sie dem Prager Franz Kafka kargen Lohn und Brot. Jüngst finanzierte sie der Konzeptkünstlerin Maria Eichhorn eine üppige Installation zum Thema „Arbeit/Freizeit“ in ihrer Berliner Niederlassung – an der sich sämtliche Mitarbeiter beteiligten. Und nun hat sie die Politartistin Alice Kreischer beauftragt, „politische Militanz, Subjektverhältnisse und künstlerische Vorgehensweisen“ parteiisch, aber projektiv zusammenzuführen – im Wiener Hauptquartier der Generali, für die „Die Gewalt – als der Rand aller Dinge“ (so der Ausstellungstitel) auch versicherungsmäßig interessant ist.

Imma Harms – taz-Mitgründerin und seit 1995 Koregisseurin von Thomas Winkelkotte – hat dazu eine „Software-Installation“ beigesteuert, die aus der 1978er-Rede der RZ-Genossin Sabine Eckle besteht. Sie heißt: „Warum wir dem Vorsitzenden Richter des Asylsenats am Bundesverwaltungsgericht Günter Korbmacher in die Knie geschossen haben“. Dazu zitiert Eckle, die wegen dieses Anschlags gerade in Moabit angeklagt wird, Bert Brecht: „Das Unrecht ist nicht anonym, es hat einen Namen und eine Adresse.“ Im Kern besteht ihre Rechtfertigungsrede aus einer „Analyse der Rolle des Asylrechts in der Weltinnenpolitik“, die laut Imma Harms „immer aktueller wird“. Deswegen hat sie sich drumherum nun „mit der Möglichkeit des politischen Attentats“ auseinander gesetzt – wobei ihre Videovisualisierung der Rede zum einen den Sprachduktus (die Argumentation) und zum anderen den Sprachdruck (die Empörung) hervorhebt.

Hinzu käme für Imma Harms auch noch so etwas wie eine kantische „Pflicht zum Widerstand“, den sie dialogisch im Katalogbeitrag herauspräparierte: „Wir reden von der Militanz des Augenblicks, der spontanen Überschreitung der Legalitätsgrenze in einer gegebenen Situation.“ Mit der Kuratorin Kreischer ist sich Harms einig, dass „die Souveränität im Moment der Entscheidung liegt“ – mithin, dass Militantwerden bedeutet, souverän zu sein, indem man dabei die illegitimen Mittel zu legitimen erklärt.

Noch jedes „Bekennerschreiben“ hat diesen Vorgang bekräftigt. Wo es keins gab, erklärte sich die Tat anscheinend von selbst. Erwähnt sei das Heydrich-Attentat in Prag 1943 und das WTC-Attentat in New York 2001. Gleichzeitig gab es aber immer auch gefälschte Attentate – zum Beispiel vermeintlich linke Putsche von rechts, um Notverordnungen und Militäraktionen durchzusetzen. Bis heute wird um den „Reichstagsbrand“ gestritten.

Die Feuerversicherungsstiftung schweift derweil von der Subjektwerdung der Polittäter (in der selbst erklärten Souveränität) zu der der emanzipierten Handwerker (in der künstlichen Souveränität) ab, wobei die Stifter jedoch gleichzeitig in ihrem Leporello behaupten: „Die Begriffe ‚Kunst und Militanz‘ können nicht gegeneinander ausgespielt werden.“ Am Beispiel des WTC-Attentats haben dies jedoch gerade Karl-Heinz Stockhausen und Jean Baudrillard geleistet – sie wurden dafür grob gescholten. Am Beispiel des Attentats auf das Knie von Korbmacher wird Imma Harms dazu am 11. März in der Kreuzberger Buchhandlung „b.books“ (Lübbener Straße) Näheres ausführen. Sie hat inzwischen die Rede von Sabine Eckle auch als Buch selbst herausgegeben (für 9 Euro). Die Autorin der RZ-Erklärung, Sabine Eckle, wurde kürzlich nach einem Geständnis des Mitangeklagten Rudolf Schindler aus der U-Haft entlassen. Die Anklage wegen schwerer Körperverletzung ist inzwischen verjährt, was bleibt, ist die Beteiligung an der Bildung „terroristischer Vereinigungen“ – bei denen sich jetzt erneut das Problem von natürlicher und künstlerischer Militanz auftut.