Mit Ausrufezeichen zurück an die Tabellenspitze

Bayer Leverkusen fertigt Borussia Dortmund gleich mit 4:0 ab und führt das Bundesliga-Ranking nun wieder mit einem Punkt an

LEVERKUSEN taz ■ Keine Frage: Die angriffslustige Rhetorik, mit der er den gefräßigen Boulevard des Fußballs in den Tagen vor dem Gipfeltreffen gegen Borussia Dortmund gefüttert hatte, war für den Leverkusener Trainer zweifellos ein Ritt auf der Rasierklinge gewesen. „Die kaufen millionenschwer ein“, hatte Klaus Toppmöller mehrfach gestichelt, „und dann sprechen die von einem Uefa-Cup-Platz.“ Damit würde die Borussia alle für dumm verkaufen. Die Reaktion des Dortmunder Übungsleiters Matthias Sammer hierzu war süffisanter Art: Das letzte Mal, als sein Gegenpart die verbale Keule herausgeholt habe, könne er, Sammer, sich erinnern, „ist jemand anderes Meister geworden – und Toppmöller arbeitslos“.

Nun, vorerst muss sich Toppmöller nicht um seinen lukrativen Arbeitsplatz sorgen. Aus seiner Sicht waren die Injurien im Vorfeld sogar notwendig gewesen. Wie der Bayer-Coach nach dem 4:0-Sieg gegen den bisherigen Tabellenführer in aller Ruhe erklärte, gehören solche „Sticheleien nun einmal zum Fußballgeschäft“. Zudem sei alles ein bisschen zu ruhig gewesen in der letzten Woche.„Ich musste mal ein Ausrufezeichen setzen.“

Für das, was seine Spieler dann auf dem Rasen boten, darf getrost das gleiche Satzzeichen verwendet werden. Sicher, das erste Tor (32.) durch Ballack kam quasi aus dem Nichts, eine halbe Stunde lang brachten weder Zé Roberto auf links noch sein Pendant Zivkovic die Dortmunder auch nur einmal ernsthaft in Verlegenheit. Doch mit der Führung brach die bis dato beste Abwehr der Liga völlig in sich zusammen, wobei das Warum nicht vollends zu klären war. Lag der „Einbahnstraßen-Fußball“ (Bayer-Manager Calmund) an der brutalen Offensivqualität der Ballacks und Bastürks, die mit ihren bezaubernden Steilpässen die schwarz-gelbe Defensivformation einfach ignorierten? Oder hakten die Dortmunder, vorher 14 Spiele ungeschlagen, diese Partie bereits nach dem 0:1-Rückstand innerlich ab, in der festen Erwartung, ohnehin „was auf die Stäbe zu bekommen“ (wieder Calmund)?

Matthias Sammer wird sich jedenfalls seinen Teil dabei gedacht haben, als seine Mannschaft gegen Ende der ersten Halbzeit darauf verzichtete, bei Ballverlusten zurückzulaufen. Der Rotschopf war vor allem geknickt über die Höhe der Niederlage, die er beim 0:2 (50.) mit der Einwechslung von Stevic für Amoroso doch in Grenzen halten wollte. Für Sammer, für seine Analysewut bekannt, hatte eine Szene aus dieser Spielphase Schlüsselcharakter: Als Kirsten nämlich seinen Spieler Metzelder von hinten in einer Form umgrätschte, dass selbst der abgezockte Stürmer – erschrocken über sein eigenes Foul – die Kollegen aufforderte, den Ball zwecks Behandlungspause ins Aus zu spielen. Während Schiedsrichter Fleischer dies ungerührt an sich vorbeirauschen ließ, stellte er den Dortmunder Koller kurz darauf wegen einer vergleichbaren Aktion vom Platz. Es war dies der Pfropfen auf die Niederlage, denn die Dortmunder Angriffsbemühungen hatten sich von Beginn an darauf konzentriert, hohe Bälle auf den Baum im Sturm zu schlagen und dann auf den lieben Gott zu hoffen. So aber fiel elf Minuten nach dem Platzverweis das 3:0 (Neuville), weitere elf Minuten später gar der vierte Treffer (Berbatov).

Nach dem Spiel mokierten sich sowohl BVB-Präsident Niebaum als auch Manager Meier darüber, dass immer „diejenigen, die am meisten über Schiedsrichterleistungen jammern, am Ende den Lohn bekommen“, was eine Anspielung auf die scharfen Leverkusener Proteste im letzten Spiel am Millerntor war – und mithin eine Demonstration dessen, was schlechte Verlierer so ausmacht. Dass es bisweilen gerade Dortmunder Akteure sind, die bei strittigen Entscheidungen eine bedrohliche Wagenburg um den Schiedsrichter aufbauen, blieb nämlich unerwähnt. ERIK EGGERS