KSB ist so etwas wie „Die Feinen Herren“ auf Bremen-Urlaub

■ Die Kleine Schmutzige Band spielte jetzt in der Blue Moon Bar den einzig wahren Jazz: nämlich humorvollen Jazz

Es gibt einige richtig, richtig gute Bands in Deutschland. Die „Kleine Schmutzige Band“ ist eine davon. Die vier Musiker, darunter das Multitalent Mark Scheibe („Wo Scheibe draufsteht, ist Qualität drin“), sind alles Virtuosen. Darüber hinaus sind sie auch Empfangsantennen für göttliche Inspiration. Und dieses „darüber hi-naus“ scheidet den Künstler vom redlichen Arbeiter. Sie sind keine Konstrukteure von Musik, sondern Schöpfer derselben. Und wie G.K. Chesterton sagte, ist der ganze Unterschied zwischen Konstruktion und Schöpfung, dass eine konstruierte Sache erst nachdem sie ins Dasein getreten ist geliebt werden kann, eine Schöpfung jedoch schon davor.

Wie das konkret aussieht? Gemach! Vor dem gegenwärtigen Moment steht die Geschichte: Die von der Band „Die Feinen Herren“, die vor ein paar Jahren hier spielten, als Mark Scheibe noch in Bremen wohnte. Irgendwie gibt es sie noch immer, weil KSB so etwas wie „Die Feinen Herren auf Urlaub“ sind. Damals spielten die Multiinstrumentalisten H.C. Klüver, Jan Fritsch und Mark Scheibe experimentellen Unterhaltungs-Jazz. Eigentlich genau wie KSB, aber mit anderem Schwerpunkt, nämlich einem deutlich humoristischeren. Im Urlaub wurden „Die Feinen Herren“ jetzt durch den Bassisten und Banjoisten Dirk Lüking verstärkt. Das ganze ist weniger klamaukig, dafür noch experimenteller, freier und insgesamt jazziger. Man hat den Eindruck, dass Scheibe & Co. nun ohne Kompromisse das tun, wozu sie gerade Lust haben, ohne sich um die an sie gestellte Erwartung der Witzigkeit zu scheren. Das war die Geschichte.

Und das ist der gegenwärtige Moment: „Was wir heute Abend machen ist Jazz, alle, die etwas anderes behaupten, wollen nur die schnelle Mark machen“, begrüßt Scheibe das Publikum. Er wird nicht müde, dies in unzähligen Variationen den ganzen Abend hindurch zu unterstreichen. Das Publikum lacht, aber eigentlich gibt's da nix zu lachen. Wer den ersten Song gehört hat, weiß, dass Scheibe verdammt noch mal recht hat.

KSB verkörpert den Geist des Jazz, wie ihn sonst vielleicht nur noch Helge Schneider verkörpert. Es gibt viele Parallelen zu dem großen Jazz-Entertainer aus dem Ruhrpott: die Naivität, die nicht witzig sein will, es aber trotzdem ist; eine gewisse Absurdität, die das Nicht-Absurde an Wahrhaftigkeit und Aufrichtigkeit überflügelt; und vor allem die Freude an der eigenen Schöpfung, an der freien Gestaltung des gegenwärtigen Moments.

Scheibe spielt gleichzeitig Klavier und Trompete oder entlockt einem wunderbaren alten Synthesizer wunderbare alte Klänge. Ja, der Synthesizer ist ebenfalls ein Jazzinstrument. Daneben steht Lüking und spielt Kontrabass, ruhig und geschmeidig, nicht mehr, nicht weniger. Und Fritsch, der genauso aussieht wie Kramer aus der Sitcom „Seinfeld“, sitzt Saxophon oder Oboe spielend auf einem Hocker und macht den ganzen Abend ein Gesicht, das gleichzeitig abwesend, gleichgültig, relaxt, nervös und gelangweilt ist. Keine Ahnung wie er das hinkriegt, aber es ist minimalistische Komik at its best und ein Kontrapunkt zu den Vorträgen von Klüver und Scheibe.

Wer mit KSB in die „Jazz-Galeere“ steigt, in der „das Ruder-Luder schludert“, während bei Capri die rote Sonne im Meer versinkt, der wird Teil einer „Sexualmaschine“, nein, eigentlich mehr als das, einer Liebesmaschine, die aus Künstlern und Publikum besteht. Scheibe sagt, dass die Band die unbewuss-ten Stimmungen, die erotische Energie des Publikums vertone. Es wird gelacht. Aber eigentlich gibt's da nix zu lachen.

Tim Ingold