Eiertanz um Zuwanderung

Kandidat Stoiber hat Probleme: Wie verkauft er die Haltung der Union zur Zuwanderung? Und welche Haltung ist das?

von PATRIK SCHWARZ
und LUKAS WALLRAFF

Seit Gerhard Schröder am Montagabend vor die Kameras trat, hat Edmund Stoiber ein Problem. Der rot-grünen Koalition, das machte des Kanzlers Einsatz deutlich, ist es ernst mit einem Zuwanderungsgesetz. Das neue Kompromisspapier gilt zugleich als letztes Angebot an die Opposition. Damit zwingt Schröder seinen Herausforderer in eine Rolle, die dieser bisher noch nicht üben konnte: Der Kandidat muss zum ersten Mal festlegen, in welche Richtung sich CDU/CSU bewegen sollen. Damit steht Stoiber vor der ersten bundespolitischen Weichenstellung seines Wahlkampfs.

Vom bayerischen Ministerpräsidenten, nicht von den Zuwanderungsspezialisten in der Bundestagsfraktion wird es letztlich abhängen, ob die Unions-Parole doch noch Konsens oder endgültig Konfrontation heißt. Gestern Nachmittag meldete sich der Kandidat mit einer doppeldeutigen Aussage: „Das reicht bei weitem nicht aus“, sagte Stoiber zu den rot-grünen Angeboten. Er schloss aber nicht grundsätzlich aus, dass es noch zu einer Einigung kommen könnte.

Strategisch hat Stoiber drei Optionen. Aber keine ist für ihn wirklich attraktiv.

Variante eins: Stoiber bleibt bei seiner totalen Blockade und setzt die gesamte Union unter Druck, das Gesetz sowohl am Freitag im Bundestag als auch am 22. März im Bundesrat abzulehnen. Tut er das, riskiert er eine totale Blamage, falls der Brandenburger CDU-Innenminister Jörg Schönbohm nicht auf den Chef aus München hört. Die große Koalition in Brandenburg ist im Bundesrat das Zünglein an der Waage und könnte Rot-Grün doch noch zu einem Gesetz verhelfen – mehr als peinlich für Stoiber. Aber selbst wenn Schönbohm hart bleibt: Bei einer Blockade würde es Rot-Grün leicht fallen, Stoiber im Wahlkampf in die rechte Ecke zu stellen – als sturen Hinterwäldler, der ein Gesetz verhindert, das von Kirchen, Gewerkschaften und der Wirtschaft dringend gewünscht wird. Keine besonders gute Ausgangsposition in dem von Stoiber selbst erklärten Kampf um die „Mitte“.

Variante zwei: Stoiber schwenkt ganz schnell um und empfiehlt der Unions-Fraktion, dem geänderten Zuwanderungsgesetz schon am Freitag im Bundestag zuzustimmen, weil es durch den Druck der Union gelungen sei, das Schlimmste zu verhindern. Ein solches Entgegenkommen brächte Punkte in der Mitte, würde aber allen bisherigen Verlautbarungen widersprechen und die rechten Stammwähler verwirren. Also ist es äußerst unwahrscheinlich.

Im Laufe des gestrigen Nachmittags erhielt die dritte Variante Auftrieb: Führung durch Schweigen. „Sicher ist das Thema Chefsache“, hieß es in der CDU-Zentrale defensiv. „Aber bis nicht jeder Buchstabe geprüft ist, gibt es aus diesem Haus keine weiteren Aussagen.“ Es spricht einiges dafür, dass sich Stoiber mit eindeutigen Festlegungen weiter zurückhält und es dem Unions-Kollegen in Brandenburg überlässt, ob er die rot-grünen Zugeständnisse für ausreichend hält. Indem er sich und Schönbohm ein kleines Hintertürchen offen hält, kann er eine persönliche Niederlage im Bundesrat vermeiden. Die Union aber würde noch ein paar Wochen herumeiern, möglicherweise unterschiedlich abstimmen. Stoiber stünde als unentschlossener Zauderer da, der sich kein Machtwort zutraut. Auch nicht gerade ein Plus im Duell mit dem Kanzler.