Linkes Gewirr aus Schuld und Anklage

Israel oder Palästina oder „between the lines“? Eine Veranstaltungsreihe in der Roten Flora sucht ab heute nach Wegen jenseits einfacher Parteinahme  ■ Von Christiane Müller-Lobeck

Es gibt sie noch, die Friedensbewegung in Israel. Zwar sind ihre Aktivisten durch die weitere Zuspitzung des Konflikts zwischen Israelis und Palästinensern unter der Regierung Scharon erheblich unter Druck geraten. Doch einige haben weiter gemacht. Und jüngst, seit beide Konfliktseiten von Krieg sprechen, wird auch in Israel die Kritik an Scharons harter Linie immer lauter. So bekommt die Bewegung Peace Now (Schalom Achschaw) wieder etwas Aufwind.

Drei in der Friedensbewegung Engagierte aus Jerusalem werden heute in einer Woche, am 7. März um 19.30 Uhr in der Roten Flora (Schulterblatt 71), über die aktuelle Situation in Israel und in den paläs-tinensischen Gebieten sowie von ihrer politischen Arbeit berichten. Gabriel Wolff, Ronni Schandar und Adi Tal sind derzeit, auf Einladung des Jugendclub Courage Köln, auf Veranstaltungstour durch bundesdeutsche Städte.

Doch, wie Andreas Blechschmidt aus der Hamburger Vorbereitungsgruppe der Veranstaltung sagt, „man kann nicht einfach so drei Leute aus Israel in die Rote Flora setzen, das ist auch jetzt noch ein Politikum, was das Verhältnis der deutschen Linken zu Israel angeht“. Denn immer wieder hat die einseitige Parteinahme großer Teile der Restlinken für die Palästinenser auch in Hamburg zu Antisemitismusvorwürfen und erhitzten Diskussionen geführt. Im Vorfeld der Veranstaltung unter dem Titel „Fast unsichtbar ... die unabhängige Friedensbewegung in Israel“ ist daher für heute Abend um 19.30 Uhr, ebenfalls in der Roten Flora, eine Diskussion über Antisemitismus in der deutschen Linken geplant. Damit solle aber mitnichten, so Blechschmidt, die Debatte in den Zeitschriften bahamas, konkret und jungle world um die Konsequenzen aus den Anschlägen vom 11. September aufgewärmt werden.

Dort wurde in zahlreichen Artikeln aus dem unbestrittenen Antisemitismus radikal-islamischer Bewegungen eine aktuelle und unmittelbare Bedrohung Israels abgeleitet. Wer den Krieg der USA gegen Afghanistan nicht unterstütze, so folgerten die Autoren weiter, sei Antisemit.

Die heutige Veranstaltung ist dagegen historisch auf das Verhältnis der deutschen Linken zu Israel ausgerichtet. Auch um die gängige pauschale Verurteilung der – von Israels Sechstagekrieg schockierten – deutschen Linken nach 1967 werde es weder in dem Vortrag der Vorbereitungsgruppe noch im Beitrag der eingeladenen „Gruppe demontage“ gehen, betont Blechschmidt. Nicht alle nämlich haben sich seitdem auf die Seite der Paläs-tinenser geschlagen. Dem Gewirr aus deutschem Schuldzusammenhang, der Anklage der Naziväter und -großväter und der Parteinahme für die Schwächeren gemischt mit Antiimperialismus wussten einige Linke auch anders zu entkommen. Möglich war immer auch eine Position „between the lines“.

Ein Film über israelische und palästinensische Kinder am kommenden Sonntag um 18 Uhr und ein Diavortrag zur Situation in Nahost am Montag um 19.30 Uhr ergänzen die Veranstaltungsreihe in der Roten Flora. Im B-Movie (Brigittenstr. 5) läuft begleitend am 9. und 23. März um 20.30 Uhr „Live aus Palästina“, eine im Sommer 2001 gedrehte Reportage über die oft lebensgefährliche Arbeit der JournalistInnen des Radiosenders Stimme Palästinas, den die israelische Armee Ende vorigen Jahres durch Bomben zerstörte.