„Alles ganz, ganz unglücklich“

■ CDU-Jugendpolitikerin Bettina Pawlowski distanziert sich von Kürzungen bei Jugendprojekten und von geschlossenen Heimen

Ist es von Belang, was die jugendpolitischen Sprecher von Regierungsfraktionen sagen? Nicht immer, aber erhellend ist es schon. „Geschlossene Unterbringung ist eine Forderung von Schill. Davon distanziere ich mich ganz klar“, sagte am Dienstagabend Bettina Pawlowski auf einer Podiumsdiskussion in der Motte zur Zukunft der Jugendpolitik. „Was wir heute haben, ist ausreichend. Viele betreute Jugendwohnungen stehen sogar leer.“

Ihr Koalitions-Kollege Leif Schrader (FPD) erheiterte mit einem makabren Versprecher: „Ob wirklich 200 Haft-, äh, Heimplätze erforderlich sind, muss man sehen.“ Seine Partei sei aber für eine „verbindliche Unterbringung“ in bestimmten Fällen: „Dass wir nicht 200 Plätze wollen, werden sie uns vielleicht glauben, wenn wir sagen, es ist uns viel zu teuer.“

Beide hatten zuvor öffentlich Prügel einstecken müssen für die jüngst bekannt gewordenen Kürzungen bei Mädchenprojekten und in der Familienhilfe. Allein zehn Prozent kürzt die Stadt bei Beratungsstellen für Opfer von Gewalt und Missbrauch, über 18.000 zum Teil ehrenamtliche Arbeitsstunden fehlen künftig Projekten in sozialen Brennpunkten wie Steilshoop, weil das „Studentische Jugendprogramm“ gekappt wird. Auf noch mal 1,5 Prozent muss die offene Kinder- und Jugendarbeit in den Bezirken verzichten, was – da es nicht flächendeckend weitergegeben werden kann – zu Stellenstreichungen und Schließungen führen wird.

„Ich weiß, das ist alles ganz, ganz unglücklich“, sagte Pawlowski, die auch stellvertretend für die im gleichzeitig tagenden Haushaltsausschuss der Bürgerschaft sitzende Sozialsenatorin Birgit Schnieber-Jastram sprechen muss-te. „Wir als CDU haben immer gefordert, es darf keine Einsparungen in der offenen Jugendarbeit mehr geben. Dazu stehe ich. Das ist mit uns nicht mehr zu machen.“

Pawlowski hatte erst am Montag vorgeschlagen, bis 2005 zehn Millionen Euro bei den „Hilfen zur Erziehung“ (HZE) wegzunehmen und in die niedrigschwellige Kinder- und Familienarbeit zu investieren. „Man macht einen Blinden nicht sehend, in dem man einem Einäugigen das Auge aushackt“, höhnte der SPD-Jugendpolitiker Thomas Böwer und warf Pawlowski vor, diesen Vorschlag mit den HZE-Trägern nicht abgesprochen zu haben.

Dennoch fällt Pawlowskis Vorschlag nicht vom Himmel. Hatte es doch in der Jugendhilfe-Szene und auch im Jugendausschuss der Bürgerschaft um eben diese Umsteuerung in der vergangenen Legislatur eine heftige Debatte gegeben. Pawlowski: „Wir haben uns doch immer die Fallzahlen angeguckt und gesagt, dass es so nicht weitergehen kann.“ Seit Beginn der Debatte im Jahr 2000 ist der HZE-Etat noch mal von 250 Millionen auf 280 Millionen Mark geklettert.

Das Problem jedoch ist nun: Die Hilfen einfach zu kürzen, geht nicht. Weder ist es fachlich sinnvoll noch juristisch korrekt, haben doch Kinder und Eltern darauf einen Rechtsanspruch. Doch aus fachlicher Sicht ist die Ausbreitung der Einzelfallhilfen nicht unbedingt das Gelbe vom Ei. Müssen sich doch Kinder und Eltern zum Einzelfall mit Akte machen lassen, um Hilfe zu bekommen. „Wir haben uns tendenziell immer gewünscht, dass es statt des stetigen Ausbaus der Einzelfallhilfen mehr niedrigschwellige Angebote gibt“, sagte denn auch Sabine Kohlhof vom „Verband für offene Kinder- und Jugendarbeit“, der zur Diskussion eingeladen hatte.

Dennoch kommt Pawlowskis Vorschlag wohl zur falschen Zeit und unter der falschen Regierung. Für Thomas Lamm vom HZE-Träger Pestalozzi-Stiftung ist er Anlass zu schlimmen Befürchtungen: „Wenn bei den HZE gekürzt wird, wird es zwangsläufig im ambulanten Bereich geschehen“, sprich bei jenen Hilfen, die Kinder und Familien in ihrem gewohnten Umfeld unterstützen. Wenn gleichzeitig der stationäre Bereich umgebaut und eine Struktur für eine geschlossene Unterbringung geschaffen werde, „wird es bald sehr viele Plätze in geschlossenen Heimen geben“.

Kaija Kutter