Besenrein räumen und Klappe zu

Auch die Straßensozialarbeit auf St. Pauli wird eingespart. Bereits heute soll die Anlaufstelle für Punks und Junkies schließen  ■ Von Marco Carini

Denn sie wissen nicht, was sie tun. Das Aus für die Straßensozialarbeit St. Pauli zum heutigen Februar-Ultimo hat der Jugendhilfeausschuss des Bezirks Hamburg-Mitte beschlossen. Einzige Begründung: Sparzwang. Warum es gerade die Straßensozialarbeit traf? „Das war ein Vorschlag der Verwaltung, da müssen wir uns drauf verlassen können“, erläutert Ausschussmitglied Ilse Quasnitza (SPD) die Zustimmung ihrer Partei zum Exitus-Beschluss.

Wie die Arbeit der Straßensozialarbeit aussieht und welche Auswirkungen ihre Beendung für den Stadtteil haben wird, kann Quasnitza „nicht sagen. Die Verwaltung hat uns erklärt, das ist vertretbar.“ Derart tief in die Materie eingestiegen, erledigten die Ausschussvertreter von CDU, SPD, Schill-Partei und GAL das 16 Jahre alte Projekt per Akklamation – laut vorläufigem Protokoll der Sitzung vom 28. Januar einstimmig.

Freimut R., Sozialarbeiter der Einrichtung an der Großen Freiheit 58, erfuhr vom geplanten Ende am 7. Februar, einen Tag vor Beginn seines Urlaubs. Die zuständige Jugendamtsmitarbeiterin Jutta W. teilte ihm mit, dass er nach Urlaubsende noch drei Tage Zeit habe, das Büro zu räumen. Heute um 17 Uhr wird es geschlossen. Der Letzte macht das Licht aus.

Seit 16 Jahren betreut die Straßensozialarbeit vor allem Punks und Drogensüchtige auf dem Kiez. Sie vermittelte den oft Obdachlosen Übernachtungsplätze, half bei Behördengängen oder dem Ausfüllen komplizierter Antragsformulare und schlichtete bei Konflikten mit der Polizei. „Diese Klientel in St. Pauli wird von keiner anderen Hilfseinrichtung erreicht“, weiß Roger Hasenbein von der Landesarbeitsgemeinschaft Straßensozialarbeit: „Diese Menschen haben jetzt keinen Ansprechpartner mehr.“

Schon vor zwei Jahren wurde eine ausscheidende Sozialarbeiterin der Einrichtung nicht ersetzt. Vorläufig, hieß es. Anderthalb Jahre wurde Freimut R. vertröstet, erst im November vergangenen Jahres erklärte ihm das Jugendamt, dass die Stelle ganz eingespart wird. Zu diesem Zeitpunkt aber wurde hinter den Kulissen schon an der Schließung des Projektes gearbeitet.

Der finanzielle Hintergrund des Todestoßes: Der Bezirk Mitte bekommt in diesem Jahr exakt 115.254 Euro weniger aus dem Jugendhilfeplan. Die Mittel aller kommunal finanzierten Einrichtungen werden deshalb um 5,8 Prozent gekürzt, die Straßensozialarbeit beerdigt. Durch ihr Ende spart der Bezirk im Jahr atemberaubende 18.718 Euro.

Befragt nach der Schließung, teilte Freimut R. der taz lediglich mit, er sei „nicht befugt, Auskünfte zu erteilen.“ Was die Behörde von ihm erwartet ist damit klar: besenrein räumen und Klappe halten.