Über den Wolken soll es sauberer werden

Flugzeuge und Schiffe könnte man mit einer Gebühr belegen, um die von ihnen bewirkten Ökoschäden zu reduzieren, schlägt der Wissenschaftliche Beirat der Bundesregierung vor. 3,5 Prozent des Treibhauseffekts durch Fliegerei

BERLIN taz ■ Der internationale Flug- und Schiffsverkehr ist bislang fast komplett vom Umweltschutz ausgenommen. Statt die Fluglinien und Reedereien für den Ausstoß von Treibhausgasen und Öleinleitungen zur Kasse zu bitten, werden sie durch Befreiung von Mehrwert- und Mineralölsteuern sogar subventioniert. Dies möchten Experten der Bundesregierung nun ändern: Künftig sollen Fluggesellschaft eine typabhängige Nutzungsgebühr zahlen und Reedereien eine ökologische Jahresgebühr pro Schiff.

Das empfiehlt der Wissenschaftliche Beirat „Globale Umweltveränderungen“ der Regierung (WBGU). Mit ihrem Sondergutachten, das die Sachverständigen gestern Umweltminister Jürgen Trittin (Grüne) überreichten, versuchen sie zwei Fliegen mit einer Klappe zu schlagen: Einerseits sollen die „globalen Gemeinschaftsgüter“ nicht überbeansprucht werden. Andererseits will man Entwicklungsländern neue Finanzierungswege eröffnen, um mit den Folgen von Klimawandel und Naturzerstörung fertig zu werden. Dabei analysieren die neun WBGU-Mitglieder unter dem Vorsitz des Meteorologen Hartmut Graßl nicht nur das fachlich Wünschbare, sondern auch das politisch Durchsetzbare.

Sie kommen zu dem Schluss, dass der Weg einer Steuer nicht zum Ziel führe, da er viele Widerstände auslösen würde. Sie setzen auf ein „Nutzungsentgelt“, eine Gebühr, die die tatsächlichen Schäden für die Umwelt nicht übersteigen soll. Auch darf das eingenommene Geld nur in die Reparatur der Umweltschäden gesteckt werden.

Der Flugverkehr trägt nicht nur mit dem Ausstoß von Kohlendioxid zum Treibhauseffekt bei. Auch die Bildung von Kondensstreifen ist daran beteiligt. Hinzu kommt die Wirkung der Stickoxide. Der Flugverkehr verursacht den globalen Treibhauseffekt zu 3,5 Prozent – Tendenz leicht steigend. Das kostet nach UN-Schätzung in der Mitte dieses Jahrhunderts rund fünf bis zehn Milliarden Euro jährlich. Diese Summe wird der WGBU künftig als Gebühr erheben. Die Sachverständigen treten für ein Emissions-Entgelt ein, das für jeden Flugzeugtyp nach Ausstoß von Kohlendioxid, Stickoxiden und Kondensstreifen abgerechnet wird. Dabei käme zum Beispiel eine Boeing 747 auf eine um gut die Hälfte höhere Gebühr als ein Airbus A 300.

Derartige Maßnahmen werden sich weltweit nicht so schnell durchsetzen lassen. Der WGBU rät deshalb der EU, voranzugehen. Die Gebühr würde pro Flug kassiert. Anders als bei einer Kerosinsteuer kann man dieser Gebühr nicht durch Volltanken in abgabefreien Länder entgehen.

Um wirtschaftliche Verwerfungen abzufedern, schlägt das WGBU eine Einführung der Gebühr in mehreren Stufen vor. Die ökonomischen Folgen seien aber gering, wenn auch Schnittblumen, Hummer und Südfrüchte etwas teurer würden. Entwicklungsländer könnten dafür gewonnen werden, indem man die Auszahlung der Mittel von der Teilnahme am System abhängig mache. Die Gebühr würde vermutlich den Flugverkehr kaum reduzieren: Der ökologische Nutzen käme aus besseren Triebwerken.

Beim Schiffsverkehr empfiehlt das WBGU die Einführung einer Jahresnutzungsgebühr für die Meere. Wer umweltfreundliche Kriterien erfüllt, erhält einen Discount, der bei „vorbildlichen Schiffen“ fast den ganzen Betrag ausmachen kann. Der Jahresbetrag wird über die teilnehmenden Länder erhoben. Um ein Ausweichen auf Billigflaggländer auszuschließen, würde der volle Beitrag auch fällig, sobald ein Schiff in einem Hafen der Teilnehmerstaaten einläuft. Hier denkt das WGBU an eine gemeinsame Einführung durch die OECD, zur Not zunächst über die EU. Die Gebühr ist so moderat kalkuliert, dass eine Verlagerung des Verkehrs weg vom Schiff auszuschließen sei – schließlich sei es das energieeffizienteste Transportmittel. Die Widerstände gegen eine solche Lösung halten die Sachverständigen für gering. MATTHIAS URBACH