Streit aus der Steckdose

■ Ein sparsamer Schrauber nutzte den Strom eines Friseursalons für seine Autobasteleien

Die Verhandlung gegen Hans D. beginnt verspätet. Der gepflegte, Herr mit dem silbernen Haar steht gelassen im Gang und tauscht Restaurant-Tipps mit seinem Anwalt aus – er empfiehlt das „Córdoba“ in Vegesack. Ein Hauch von Stil weht durch die Gänge des Bremer Amtsgerichts.

Doch ein reicher Mann ist D. nicht. Der gelernte Schriftsetzer lebt von der Arbeitslosenhilfe, und die wird auch noch großteils gepfändet – Bankkredite sind abzuzahlen. Nun soll der Herr mit der akkuraten Föhnwelle dem Friseurmeister Hans-Joachim R. Strom entwendet haben. Der Vorwurf: D. habe ein Kabel von seiner Garage aus durch die Hauswand in den Keller gelegt und am Waschmaschinenanschluss von R. angebracht. Über unbestimmte Zeit soll er mit dem abgezapften Strom in der Garage an einem Auto gewerkelt haben. Ob er es frisiert hat, bleibt Spekulation.

Das alles bestreitet D. gar nicht, will das ungewöhnliche Procedere aber haargenau mit dem Vermieter abgesprochen haben. Einziger Fehler: „ Einen Strom-Zähler anzubringen habe ich vergessen“. Ebenso wie die Rücksprache mit dem Friseur. Schuldig fühlt sich der Mittfünfziger zwar nicht, ist aber bereit zur Versöhnung: „Ich habe mich selbstverständlich entschuldigt und werde auch für den Schaden aufkommen“. Das Haarige an der Sache ist nur: Weder der passionierte Kabel-Leger noch der 74-jährige Coiffeur können sagen, wie oft und wie lange der Schwarz-Strom geflossen ist. Heisswasserboiler, Föhne und Trockenhauben sorgten im Friseursalon ohnehin für hohen Stromverbrauch, erklärt R. Außerdem habe er ja nicht mit einem heimlichen Mitnutzer gerechnet. Erst durch Nachbarn wurde der ältere Herr auf das Kabel aufmerksam, das sich durch den Garten zu D.s Garage hin schlängelte.

Keiner weiß, wieviel Strom entwendet wurde. Der unbekannte Schaden aber will beglichen sein. So einigen sich Richter und Strom-Konkurrenten schließlich auf eine Zahlung von 100 Euro an den Friseur und weiteren 100 für Verfahrenskosten. D. ist mit dem glimpflichen Ausgang zufrieden. Der Tisch im „Córdoba“ kann reserviert werden.

kut